29.05.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2024

Ist die Auswertung des privaten WhatsApp-Verlaufs auf dem Bürocomputer zulässig?

LAG Bremen, Urteil vom 07.11.2023 – 1 Sa 53/23

Viele Arbeitnehmer nutzen den dienstlichen Computer auch für private Angelegenheiten, selbst wenn der Arbeitgeber die private Nutzung untersagt hat. Mit der Frage, ob dies den Arbeitgeber auch berechtigt, die dort einsehbaren privaten Nachrichten zu Lasten des Arbeitnehmers im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses auszuwerten, hat sich nun das LAG Bremen in seiner Entscheidung vom 07. November 2023 (Az. 1 Sa 53/23) beschäftigt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Die Klägerin war seit Juli 2020 zunächst als Aushilfe und dann seit November 2020 als Rechtsanwaltsfachangestellte bei dem Beklagten, einem Fachanwalt für Strafrecht in Bremen, beschäftigt. Obwohl der Klägerin die private Nutzung des dienstlichen Bürocomputers untersagt war, nutzte sie auf dem PC die Anwendung „WhatsApp-Web“ für private Angelegenheiten. Ende Oktober 2022 informierte eine Kollegin der Klägerin den Beklagten darüber, dass ihr ein 50 Euro Schein aus dem Portemonnaie im Büro gestohlen wurde und hierfür eigentlich nur die Klägerin in Frage komme. Daraufhin kontrollierte der Beklagte den Arbeitsplatzrechner der Klägerin und damit auch die auf dem Computer einsehbaren WhatsApp Nachrichten. Im Rahmen dieser Kontrolle stieß der Beklagte auf private Nachrichten der Mitarbeiterin, die diesen Verdacht aus seiner Sicht bestätigen konnten. Abgesehen davon fand der Beklagte in der privaten Korrespondenz auch Hinweise, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit vorsätzlich mit Corona infiziert habe, um dadurch ihre Krankschreibung bewusst herbeizuführen. Aufgrund dessen kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos. Neben diesen Gründen stützte er die Kündigung außerdem auf weitere Pflichtverletzungen, wie zum Beispiel die Nutzung der Kanzleiräume für private Zwecke oder die eigenmächtige Überweisung der Gehälter für den Monat Oktober 2022. Zudem hatte der Beklagte bei der Durchsuchung in ihrer Schreibtischschublade eine kleine leere Plastiktüte gefunden, in der sich Drogen befunden haben könnten, sowie einen zusammengerollten Geldschein und diverse weitere Tabletten. Aus Sicht des Beklagten sei die außerordentliche Kündigung daher gerechtfertigt. Die Klägerin wiederum wehrte sich gegen diese Vorwürfe und erhob vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Kündigungsschutzklage. Nachdem der Kündigungsschutzklage in erster Instanz stattgegeben wurde, meldete sich eine studentische Mitarbeiterin aus der Kanzlei und bestätigte, dass die Klägerin ihr gegenüber inzwischen gestanden habe, die 50 Euro gestohlen zu haben. Diese Aussage wiederholte sie als Zeugin in der Berufungsinstanz.

Entscheidung

Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Das LAG Bremen erachtete die Zeugenaussage der studentischen Mitarbeiterin für ergiebig. Die Kammer hielt die Zeugin für glaubwürdig und ihre Aussage für glaubhaft, sodass das Gericht in einem nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO ausreichendem Maß davon überzeugt war, dass die Klägerin ihrer Kollegin das Geld entwendet hat. Maßgeblich war für das LAG Bremen aber allein die Zeugenaussage und nicht die Auswertung der WhatsApp Nachrichten der Klägerin. Letzteres unterliege nämlich einem Sachvortragsverwertungsverbot, da der Beklagte hiermit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verstoßen habe. Hierunter falle auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches die Befugnis garantiere, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Demnach seien auch elektronische Nachrichten, die an private Bekannte gerichtet seien und nichts mit dem Betrieb zu tun hätten oder aus einem betrieblichen Anlass verschickt worden seien, geschützt. Keine Rolle spiele es dabei, dass die Nutzung des Bürocomputers nicht für private Zwecke erlaubt gewesen sei, da der Arbeitgeber erkennen konnte, dass es sich hierbei um keine dienstlichen Daten handeln würde. Somit sei gerade bei vagen Hinweisen auf eine Straftat oder Pflichtverletzung des Mitarbeitenden, eine Datenerhebung und - verarbeitung nicht nach Art. 5 ff. DSGVO i.V.m. § 26 BDSG gerechtfertigt. Auch wenn die anderen Vorwürfe gegen die Klägerin nicht berücksichtigt wurden, reiche die Zeugenaussage und somit der Diebstahl von Bargeld zu Lasten einer Arbeitskollegin aber schon aus, einen an sich wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung darzustellen. Im Rahmen einer Interessenabwägung komme insbesondere dem Grad des Verschuldens und der möglichen Wiederholungsgefahr eine hohe Bedeutung zu. Somit sei der Ausspruch der Kündigung ohne vorherige Abmahnung verhältnismäßig und damit im Ergebnis auch rechtmäßig.

Fazit

Schon der Diebstahl von geringwertigen Sachen kann Arbeitgeber berechtigten, eine außerordentliche fristlose Kündigung auszusprechen. Insofern reiht sich das Urteil des LAG Bremen in die bisherige Rechtsprechung ein und ist wenig überraschend. Spannend ist dagegen die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, auch private Inhalte auf einem Dienstcomputer auszuwerten und arbeitsrechtliche Maßnahmen darauf zu stützen. Das LAG Bremen verneint diese Möglichkeit, selbst wenn die private Nutzung des dienstlichen PCs ausdrücklich untersagt ist. Nach Auffassung des LAG gilt dies insbesondere dann, wenn lediglich vage Hinweise auf eine Pflichtverletzung vorliegen und für den Arbeitgeber eindeutig, zum Beispiel durch die Bezeichnung des Ordners als „privat“, ersichtlich ist, dass es sich um keine dienstlichen Daten handelt. Ob dies auch bei Vorliegen konkreter Verdachtstatsachen gilt, bleibt offen. Zusammengefasst betont die vorliegende Entscheidung des LAG Bremen erneut den hohen Stellenwert der Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitenden. Arbeitgeber sollten in solchen Fällen daher zunächst sämtliche mildere Mittel zur Verdachtsaufklärung ausschöpfen sowie eine sorgsame rechtliche Prüfung und Interessenabwägung durchführen.

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