28.03.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2023

Keine Mitbestimmung bei Verbot der Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 13.10.2022 – 3 TaBV 24/22

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind ein „Dauerbrenner“ in der arbeitsgerichtlichen Beratungspraxis und Rechtsprechung. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beinhaltet eine ganze Reihe von Tatbeständen, in denen der Betriebsrat bei Maßnahmen des Arbeitgebers zu beteiligen ist. Die zentrale Norm ist § 87 BetrVG, der zwischen insgesamt 14 mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten differenziert. Im nachfolgend erläuterten Beschlussverfahren ging es maßgeblich um den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, der dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb einräumt, soweit keine gesetzlichen oder tariflichen Regelungen bestehen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte sich in seinem Beschluss vom 13.10.2022 (3 TaBV 24/22) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bzw. inwieweit der Betriebsrat unter dieser Norm bei einem vom Arbeitgeber aufgegebenen Verbot der Nutzung von Mobiltelefonen bzw. Smartphones während der Arbeitszeit mitzubestimmen hat.

Sachverhalt

Auslöser für die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat war eine Weisung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer in seinem Betrieb. Dieser Weisung zufolge sollte es den Arbeitnehmern verboten sein, während der Arbeitszeit ihr Mobiltelefon/Smartphone für private Zwecke zu nutzen. Der Arbeitgeber stellte in diesem Zusammenhang in Aussicht, dass bei Verstoß gegen diese Weisung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden müsse. In dem Betrieb des Arbeitgebers kommt es für eine Mehrzahl der Arbeitnehmer während des Arbeitsalltags zu sogenannten Leerlaufzeiten. Für solche Leerlaufzeiten ordnet der Arbeitgeber teilweise die Erledigung anderer in dem Betrieb anfallender Aufgaben an, teilweise übernehmen die Arbeitnehmer auch eigeninitiativ geeignete Tätigkeiten zur Überbrückung, wie zum Beispiel das Aufräumen des Arbeitsplatzes.

Als Reaktion auf die Weisung forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber mit Hinweis auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf, die Maßnahme zurückzunehmen und zu unterlassen. Nach der Argumentation des Betriebsrats wird durch die Weisung des Unterlassens der privaten Telefonnutzung während der Arbeitszeit das mitbestimmungsrelevante Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer und nicht das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten berührt. So kollidiere die Nutzung eines Smartphones nicht zwangsläufig mit der arbeitsvertraglichen Pflichterfüllung durch die Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat im Gegenzug die Auffassung vertreten, dass das – nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht erfasste – Arbeitsverhalten im engeren Sinn betroffen sei.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Beschwerde des Betriebsrats, der bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Braunschweig unterlegen war, zurückgewiesen. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe, wenn das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, mithin das Ordnungsverhalten, betroffen sei. Die Arbeitspflicht wiederum betreffe das Arbeitsverhalten und sei dementsprechend nicht mitbestimmungspflichtig. Betreffe eine Maßnahme sowohl das Ordnungs- als auch in das Arbeitsverhalten, müsse anhand des überwiegenden, anhand objektiver Kriterien festzustellenden Regelungszwecks entschieden werden.

Auf den konkreten Fall angewendet hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen festgestellt, dass durch die Weisung nicht ein arbeitsbegleitendes Verhalten geregelt werde. Die Weisung betreffe nämlich Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer bei der Arbeit zu unterlassen haben. Das Gericht führt insbesondere an, dass Mitarbeiter, die Ihr Mobiltelefon zu privaten Zwecken nutzen, keine Arbeitsleistung erbringen könnten. Ferner hat das Gericht eine Abgrenzung zu dem – nach früheren arbeitsgerichtlichen Entscheidungen mitbestimmungspflichtigen – Radiohören während der Arbeitszeit vorgenommen. Im Fall des Radiohörens während der Arbeit komme es nicht notwendigerweise zu einem Verstoß gegen die Arbeitspflicht. Überdies sei die betriebliche Ordnung im Falle des Radiohörens dadurch betroffen, indem sich Mitarbeiter akustisch gestört fühlen könnten. Die Handynutzung zu privaten Zwecken tangiere andere Arbeitnehmer dagegen nicht und berühre dementsprechend nicht das Zusammenleben der Beschäftigten in dem Betrieb.

Der Regelungszweck der Weisung liegt nach Ansicht des Gerichts trotz Einbeziehung von Leerlaufzeiten in einer Maßgabe zum Arbeitsverhalten. Dies sei dadurch begründet, dass die Warte- bzw. Leerlaufzeiten nicht den hauptsächlichen Teil der Arbeitszeit der Arbeitnehmer ausmachen. Zudem sei die Übernahme etwaiger Nebenaufgaben durch die Arbeitnehmer innerhalb der Wartezeiten zu berücksichtigen.

Praxistipp

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist ein anschauliches Beispiel für die im Einzelfall sehr diffizile Unterscheidung zwischen mitbestimmungsfreiem Arbeits- und mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten. Der Beschluss ist aufgrund der Omnipräsenz des Smartphones im täglichen Leben der meisten Menschen besonders praxisrelevant und zeigt Konstellationen auf, in denen ein Nutzungsverbot auch ohne Mitwirkung des Betriebsrats verhängt werden kann, wenn und soweit die Gerätenutzung die Pflicht zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit berührt und beeinflusst. Da der Betriebsrat Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss eingelegt hat, bleibt die letztinstanzliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten.

Im Falle eines (wirksamen) Verbots der privaten Nutzung des Mobiltelefons sind Arbeitnehmer lediglich berechtigt, dieses in den Pausen und außerhalb der Arbeitszeiten zu nutzen. Selbst ein rascher Blick auf das Handy während der Arbeitszeit ist dann grundsätzlich pflichtwidrig. Zu bedenken ist allerdings, dass sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen lediglich auf die Frage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts bezieht, nicht dagegen darauf, ob die Weisung des Arbeitgebers im Übrigen wirksam ist. Die Grenzen eines entsprechenden Verbots sind, auch losgelöst von der Frage einer möglichen Mitbestimmungspflicht, sorgfältig zu prüfen.

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