29.04.2016Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Mai 2016

Personalabbau als Geschäftsgeheimnis

LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.5.2015 – 3 TaBV 35/14 (rechtskräftig)

Ein geplanter Personalabbau ist nicht ohne Weiteres geheimhaltungspflichtig. Ohne entsprechende Vorkehrungen des Unternehmens darf der Betriebsrat die Belegschaft hierüber umfassend informieren. Bei geplanten Betriebsänderungen, insbesondere bei Personalabbaumaßnahmen, haben Unternehmen regelmäßig ein Interesse daran, die Belegschaft darüber nicht von Beginn an, sondern erst zu einem bestimmten Zeitpunkt zu informieren. Aber ist ein Personalabbau ohne Weiteres als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 79 BetrVG anzusehen? Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (hiernach kurz: LAG) hat dies in einem Fall verneint, in dem ein Pharma-Unternehmen vor den Toren Hamburgs die Unterrichtung über einen geplanten Personalabbau als streng vertraulich erklärt hatte. Den Betriebsratsmitgliedern hatte die Geschäftsleitung bei Zuwiderhandlung mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.

Personalabbau kein „geborenes“ Geschäftsgeheimnis

Nach Ansicht des LAG stellte der geplante Personalabbau nicht per se ein Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 79 BetrVG dar. Der Betriebsrat durfte folglich entgegen der Anweisung des Arbeitgebers die Belegschaft über derartige Maßnahmen informieren. Zwar schütze § 79 BetrVG, so das LAG, auch Dritten nicht zugängliche Informationen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebsinhabers. Dazu müsse der Arbeitgeber jedoch ein sachlich berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung der Informationen vorweisen können.

Gefahr demotivierter Belegschaft reicht nicht

Die mögliche Beeinträchtigung des ungestörten Betriebsablaufs aufgrund zu erwartender Verunsicherung der Belegschaft konnte nach Auffassung des LAG die Rechte des Betriebsrats allein nicht einschränken. Der Betriebsrat müsse ohne weitere Anhaltspunkte ab Beginn der Unterrichtung über geplante Betriebsänderungen mit den von ihm vertretenen Arbeitnehmern umfassend kommunizieren dürfen, erst Recht, wenn sie betroffen seien. Anderenfalls könne der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte nicht effektiv und sachgerecht ausüben.

Details u. U. geheimhaltungsfähig

Nach dem LAG ist damit der Umstand, dass ein Unternehmen eine Personalreduktion durchzuführen beabsichtigt, als solcher nicht geheimhaltungspflichtig. Dies gilt selbst dann, wenn der Umstand ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet wurde. Die Einzelheiten des Personalabbaus können allerdings sehr wohl Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen (z. B. das damit einhergehende Outsourcing bestimmter Geschäftsbereiche oder die Personalreduzierung erfordernde Anpassung technischer Verfahrensweisen etc.).

Dies hat auch Auswirkungen im Gerichtsverfahren. Häufig will ein Unternehmen Geheimnisse nicht öffentlich verhandeln. Wenn nichts geheimhaltungsbedürftig ist, besteht nach § 52 ArbGG aber keine Möglichkeit zum Ausschluss der Öffentlichkeit.

Unternehmenssicherer Handlungsspielraum

Ein Unternehmen ist also gehalten, geheimhaltungsbedürftige Informationen nachweisbar gegenüber dem Betriebsrat als solche zu bezeichnen. Der Weitergabe mag häufig entgegenstehen, dass der Betriebsrat vertrauliche Informationen über eine geplante Maßnahme nicht erfahren soll. Auch wird im Zweifel später kaum nachweisbar sein, wer aus dem Betriebsrat gegen etwaige Geheimhaltungsverpflichtungen verstoßen hat. Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu gewährleisten, sollte die Geschäftsleitung dem Betriebsrat den Hintergrund einer konkreten Geheimhaltungspflicht, nämlich das Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, unmissverständlich vermitteln. Wahlweise wird das Unternehmen prüfen müssen, wann der spätestmögliche Zeitpunkt der Beteiligung des Betriebsrats („Jetzt geht es los“) ist, um auf diese Weise die geplanten Maßnahmen so lange und soweit wie möglich geheim zu halten.

Fazit

Das LAG Schleswig-Holstein hat die Rechte des Betriebsrats bei geplanten Betriebsänderungen gestärkt: „Vertrauliche Angaben“ unterliegen demnach noch nicht der Geheimhaltung. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Verschwiegenheitspflicht bei Personalabbaumaßnahmen bleibt abzuwarten. Bis zu einer differenzier enden Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitgeber für die Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses objektive Kriterien vorlegen (können), die über den Wunsch eines ungestörten Betriebsablaufs hinausgehen.

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