29.04.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht April 2022

Pflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung von Arbeitsmitteln

BAG 10.11.2021 – 5 AZR 334/21

Mit Urteil vom 10. November 2021 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine bedeutende Entscheidung über die Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel getroffen. Diese Entscheidung ist nicht nur für die zurzeit allgegenwärtigen Essenslieferdienste wichtig, sondern lässt sich auch in andere Bereiche übertragen.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Fahrradlieferant, sogenannter „Rider“, beschäftigt. Dies bedeutet, dass er mit dem eigenen Fahrrad Essen ausliefert, welches die Kunden über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Die Einsatzpläne sowie Adressen von Restaurants und Kunden erhält der Kläger über die App des Arbeitgebers. Diese muss er auf seinem internetfähigen Mobiltelefon installieren.

Für den Einsatz des eigenen Fahrrads bekommt der Kläger eine Reparaturgutschrift von EUR 0,25 je gearbeiteter Stunde. Diese Gutschrift kann allerdings nur bei bestimmten Werkstattunternehmen eingelöst werden. Für die Nutzung des Mobiltelefons bekommt der Kläger keine eigene gesonderte Zahlung. 

Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber

Laut dem BAG ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Bereitstellung geeigneter und essentieller Arbeitsmittel bereits aus dem Gesetz, § 611a Abs. 1 BGB. Dieser Absatz beziehe sich jedenfalls auf die Arbeitsmittel, ohne die die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht erbracht werden könne. Es gebe die Grundannahme, dass der Arbeitnehmer nur die Arbeitsleistung schulde und der Arbeitgeber die Mittel zur Verfügung stellen muss, an bzw. mit denen die Arbeitsleistung erbracht wird.

Das BAG hält wenig überraschend fest, dass sowohl ein verkehrstüchtiges Fahrrad als auch ein internetfähiges Mobiltelefon für die vom Kläger zu erbringende Arbeitsleistung essentielle Arbeitsmittel sind. 

Abbedingung der Bereitstellung von Arbeitsmitteln

Das Unternehmen hatte die Bereitstellung eines Fahrrads und eines Mobiltelefons vertraglich abbedungen. Es war vorgesehen, dass der Kläger sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon für die Arbeitsleistung nutzt. Diese Vereinbarung hält einer AGB-rechtlichen Kontrolle allerdings nicht stand. Laut BAG ist sie unangemessen und damit unwirksam. Der Arbeitnehmer habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Arbeitgeber selbst die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitsmittel bereitstelle, weil der Arbeitgeber auch die Arbeitsläufe organisiere und dem Arbeitnehmer die auszuübenden Arbeiten zuweise. 

Vor Gericht trug der Arbeitgeber vor, der typische Vertragspartner, wie vorliegend auch der Kläger, sei ohnehin im Besitz eines internetfähigen Mobiltelefons und eines Fahrrads. Unabhängig davon, ob dies im Einzelfall zutreffe, ändert dies laut BAG allerdings nichts an der Unwirksamkeit der AGB. Die privaten Gegenstände des Arbeitnehmers unterlägen einer erhöhten Abnutzung und dem Risiko von Verlust und Beschädigung bei Ausübung der Tätigkeit. Gleichzeitig erhalte der Arbeitgeber hierdurch einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil. 

Dieser Nachteil für den Arbeitnehmer werde vorliegend auch nicht anderweitig kompensiert. Nicht ausreichend war der Hinweis des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer könne jeweils Aufwendungsersatzansprüche geltend machen. Eine Regelung wurde hierzu allerdings nicht getroffen. Unabhängig davon, dass diese dann lediglich die geltende Rechtslage wiedergeben und dem Arbeitnehmer keinerlei Vorteile bringen würde, stünden der Geltendmachung große praktische Hindernisse entgegen. Der Arbeitnehmer müsste die Ersatzansprüche nämlich konkret beziffern und aufschlüsseln.

Die Gewährung eines Reparaturguthabens in Höhe von EUR 0,25 pro geleisteter Arbeitsstunde sei ebenfalls kein angemessener Ausgleich. Der Kläger konnte vorliegend nicht frei über das Geld verfügen, sondern konnte es nur in bestimmten Werkstätten einlösen. Auch war keine Nutzungsentschädigung vorgesehen und die Höhe des Reparaturbudgets orientierte sich nicht an der tatsächlichen Fahrleistung, sondern an der Arbeitszeit. 

Fazit

Dass ein Fahrrad für einen Fahrradlieferanten ein essentielles Arbeitsmittel darstellt, sollte keine große Überraschung sein. Auch dass der Arbeitgeber grundsätzlich die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen muss, ist keine neue Erkenntnis. Das BAG hat die Nutzung von privaten Gegenständen als Arbeitsmittel aber nicht generell ausgeschlossen. Allerdings muss der Arbeitnehmer hierfür entsprechend und ausreichend entschädigt werden. Dies war im entscheidenden Fall nicht gegeben.

Als PDF herunterladen

Ansprechpartner

Sie benutzen aktuell einen veralteten und nicht mehr unterstützten Browser (Internet-Explorer). Um Ihnen die beste Benutzererfahrung zu gewährleisten und mögliche Probleme zu ersparen, empfehlen wir Ihnen einen moderneren Browser zu benutzen.