21.12.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Dezember 2023

Politiktreffen statt Fortbildung: Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wirksam

ArbG Verden, Urteil vom 19. September 2023 – 2 Ca 101/23

Reist ein Mitglied des Betriebsrats ohne Wissen des Arbeitgebers mit einem von diesem zur Verfügung gestellten Mietwagen zu einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit Spitzenpolitikern statt an einem vom Arbeitgeber finanzierten Seminar teilzunehmen und rechnet er die entstandenen Fahrtkosten zudem über den Arbeitgeber ab, so rechtfertigt dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung. Das hat das Arbeitsgericht Verden mit Urteil vom19. September 2023 entschieden.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt am Standort Achim ein Waren- und Logistikzentrum. Der Kläger war freigestelltes Mitglied des dort gebildeten Betriebsrats. In seiner Funktion als Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung meldete der Kläger sich mit Einverständnis der Beklagten zu einer mehrtägigen Fortbildung mit dem Titel „Die Schwerbehindertenvertretung II“ im über 300 km entfernten Köln an. Die Beklagte zahlte die Seminargebühren, übernahm die Hotelkosten und kam für den Mietwagen samt Tankkosten auf, damit der Kläger auch zum Tagungsort fahren konnte.

Am ersten Tag des Seminars nahm der Kläger aber tatsächlich und ohne Wissen der Beklagten an einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil in Berlin teil. Ferner besuchte der Kläger am zweiten Tagein Treffen mit dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen Herrn Stephan Weil in Hannover. Das Seminar besuchte der Kläger an diesen beiden Tagen nicht bzw. nur teilweise. Die Tankkosten für die Fahrten nach Berlin und Hannover reichte der Kläger bei der Beklagten zur Erstattung ein.

Als die Beklagte von den Vorfällen erfuhr, kündigte sie den Kläger – nach erfolgter Zustimmung des Betriebsratsgremiums – am 7. Februar 2023 außerordentlich.

Die Beklagte war der Auffassung, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt, indem er falsche Angaben zur Seminarteilnahme (und damit Arbeitszeit) machte und überdies die Reisekosten für die Fahrten einreichte, die schließlich mangels betrieblicher Veranlassung keine Dienstfahrten gewesen waren.

Entscheidung

Das ArbG Verden wies die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 19. September 2023 – das bisher nur als Pressemitteilung veröffentlicht wurde – ab.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung liege vor.

Aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers stehe fest, dass er entgegen seinen eigenen Angaben an den ersten beiden Seminartagen nicht bzw. nur zeitweilig am Seminar in Köln teilgenommen habe.

Darüber hinaus habe er nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme stehende Fahrtkosten über die Beklagte abgerechnet. Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover sei nicht in der direkten Ausübung seines Betriebsratsmandats begründet.

Er habe in besonders schwerwiegender Weise das Vertrauensverhältnis gegenüber der Beklagten verletzt, weil der Kläger für diese Fahrten Arbeitszeit angegeben und dann auch noch die angefallenen Spesen abgerechnet habe.

In der Gesamtschau dieser Umstände rechtfertige dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung, so das Gericht.

Praxishinweis

Betriebsräte sind zwar besonders vor Kündigungen geschützt, aber eben nicht – wie es oft vereinfacht ausgedrückt wird – unkündbar. Betriebsratsmitglieder sind lediglich ordentlich unkündbar, um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten. Daneben ist die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern anders als Kündigungen von anderen Mitarbeitern von der (gerichtlich ersetzbaren) Zustimmung des Betriebsrats abhängig. Allerdings können auch Betriebsratsmitglieder dann aus wichtigem Grund – vor allem also bei schweren Pflichtverletzungen – außerordentlich gekündigt werden.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 19. September 2023 behandelt genau solch einen Fall schwerster Pflichtverletzungen. Letztlich hat der Kläger die Beklagte in mehrfacher Hinsicht massiv getäuscht und damit die Vermögensinteressen der Beklagten missachtet: Zum einen kam die Beklagte für die Seminarkosten auf, die der Kläger zumindest zum Teil eigenmächtig ungenutzt gelassen hat. Überdies hat er bei der Beklagten die Fahrkosten verlangt, die er letztlich für eine Privatfahrt verwendet hat. Die Teilnahme an gewerkschaftlich organisierten Treffen mit Politikern ist selbstredend für sich genommen völlig in Ordnung. Allerdings ist dies schlicht Freizeitvergnügen des Betriebsratsmitglieds und eben keine Arbeitszeit. Damit sind die Fahrten dorthin auch keine Dienstfahrten.

Vorbildlich gehandelt hat die Arbeitgeberin im Fall des Arbeitsgerichts Verden hinsichtlich der Schnelligkeit der Kündigungsentscheidung. Bei außerordentlichen Kündigungen ist stets Eile geboten: Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von der Pflichtverletzung hat, muss er die Kündigung (grundsätzlich) innerhalb von zwei Wochen aussprechen. Hier darf deshalb keinesfalls Zeit verschwendet werden. Daneben können Arbeitgeber aus dieser Entscheidung lernen, dass Betriebsräte eben nicht unantastbar sind. Bei entsprechenden Sachverhalten sollte stets genau geprüft werden, ob nicht doch eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt.

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