29.06.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2022

Rückzahlungsklausel bei Fortbildungsvereinbarung

BAG 01.03.2022 – 9 AZR 260/21

Wenn sich Arbeitgeber dazu entscheiden, die berufliche Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu finanzieren, möchten sie nach Abschluss der Fortbildung die erlangten Qualifikationen im eigenen Unternehmen eingesetzt wissen. Zu diesem Zweck schließen Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern sogenannte Fortbildungsvereinbarungen ab. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter nach Abschluss der Fortbildung für einen bestimmten Zeitraum beim Arbeitgeber verbleiben, damit die Investitionskosten des Arbeitgebers entsprechend amortisiert werden. Die Fortbildungsvereinbarungen sehen in der Regel eine Rückzahlungsverpflichtung für den Mitarbeiter vor, sollte dieser den Arbeitgeber vor Ablauf des vereinbarten Zeitraums verlassen. Die ergangene Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Fortbildungsvereinbarungen zeigt jedoch, dass vorformulierte Rückzahlungsklauseln einer AGB-rechtlichen Überprüfung oftmals nicht standhalten. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich jüngst mit einer entsprechenden Fortbildungsvereinbarung auseinanderzusetzen und hat hierbei eine weitere Hürde für die Arbeitgeberseite aufgestellt.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitgeber betreibt eine Reha-Klinik, in der die Mitarbeiterin in der Zeit vom 01.06.2017 bis zum 31.01.2020 als Altenpflegerin angestellt war. Die Mitarbeiterin nahm an einer Fortbildung zur Fachtherapeutin teil. Die Dauer der Fortbildung betrug 18 Arbeitstage. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur Übernahme der Kursgebühren in Höhe von € 1.930,00 und zur bezahlten Freistellung in Höhe von € 2.160,00. Die Parteien schlossen hierzu einen entsprechenden Fortbildungsvertrag ab. Dieser sah eine Bindungsfrist von sechs Monaten nach dem Ende der Fortbildung für die Mitarbeiterin vor. Die Parteien vereinbarten folgende Regelung zur Rückzahlung der für die Fortbildung entstehenden Kosten:

„(2) Scheidet der Arbeitnehmer auf Grund einer eigenen ordentlichen, nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder auf Grund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten diesem zurückzuzahlen. […]

(3) Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.“

Die Mitarbeiterin schloss die im Fortbildungsvertrag vorgesehene Fortbildungsmaßnahme am 03.12.2019 erfolgreich ab. Zuvor hatte sie den mit dem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsvertrag mit Schreiben vom 29.11.2019 zum 01.02.2020 gekündigt. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die Mitarbeiterin auf, die ihm entstandenen Fortbildungskosten anteilig in Höhe von € 2.726,68 zurückzuzahlen. 

Der Arbeitgeber blieb mit seiner Klage sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Arbeitgebers zurück.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Arbeitgeber gegen die Mitarbeiterin aus dem Fortbildungsvertrag keinen Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten hat. Die Regelung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und sei daher unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht führt hierbei entsprechend der bisherigen Rechtsprechung aus, dass es sich bei den im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB handele. Es sei deshalb zu prüfen, ob die Rückzahlungsklausel eine unangemessene Benachteiligung für die Mitarbeiterin darstelle. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit der Mitarbeiterin eingeschränkt werde. Dies ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts der Fall. Denn die Regelung zur Rückzahlungspflicht im Fortbildungsvertrag knüpfe an sämtliche Eigenkündigungen der Mitarbeiterin an, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretendem Grund beruhen. Der Anwendungsbereich der Klausel erstrecke sich damit auch auf eine Kündigung, die die Mitarbeiterin ausspricht, weil sie unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in ihrer Person dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die Qualifikation, die sie mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht mehr möglich, wenn ein Mitarbeiter ohne sein Verschulden dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, vertraglich geschuldete Arbeitsleistungen zu erbringen. Denn dem Arbeitgeber sei es ohne Weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Mitarbeiter sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht mehr nutzen kann.

Praxishinweise

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts macht für Arbeitgeber noch einmal deutlich, dass die Klauseln zur Rückzahlungspflicht im Rahmen von Fortbildungsvereinbarungen sehr gewissenhaft formuliert werden müssen. Denn die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag führt nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Rückzahlungsklausel unter Aufrechterhaltung der Weiterbildungsvereinbarung. Es findet also keine geltungserhaltende Reduktion statt. Die Arbeitgeber bleiben dadurch auf ihren Kosten sitzen, ohne dass der Mitarbeiter das im Rahmen der Fortbildung erlangte Wissen für den zahlenden Arbeitgeber einsetzt.

Angesichts der weiteren vom Bundesarbeitsgericht festgelegten Hürde ist bei der zukünftigen Vertragsgestaltung zwingend darauf zu achten, dass nicht sämtliche Fälle einer Eigenkündigung dazu führen dürfen, dass die Rückzahlungspflicht für den Arbeitnehmer ausgelöst wird. Vielmehr ist die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers aus der Rückzahlungspflicht herauszunehmen, da ansonsten die Klausel bei einer gerichtlichen Überprüfung als unwirksam beurteilt wird. Dementsprechend sollten Arbeitgeber ihre Vertragsentwürfe prüfen und entsprechend den neuen vom Bundesarbeitsgericht festgelegten Anforderungen anpassen.

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