26.01.2023Fachbeitrag

Update CIS Desk

Russische Gegensanktionen: Neben Beschränkungen von Anteilsübertragungen können jetzt auch Gesellschafterrechte (u. a.) deutscher Unternehmen an großen russischen Gesellschaften im Bereich Energie, Maschinenbau und Handel ausgeschlossen werden

Deutsche und andere europäische Anteilseigner russischer Unternehmen sind von den Beschränkungen sowohl durch die EU-Sanktionen als auch durch die russischen Gegensanktionen betroffen. Bereits mit dem Erlass des Präsidenten Russlands Nr. 81 vom 1. März 2022 wurde ein besonderes Verfahren für Geschäfte zwischen den russischen Gebietsansässigen (russische Residenten) und natürlichen und juristischen Personen aus Deutschland und anderen sogenannten „unfreundlichen“ Staaten (ca. 50 Staaten) eingeführt. Betroffen ist insbesondere der Erwerb von Aktien an russischen Aktiengesellschaften, die jetzt nur mit der Genehmigung der Regierungskommission zur Kontrolle ausländischer Investitionen in der Russischen Föderation möglich ist. Mit dem weiteren Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation Nr. 618 vom 8. September 2022 wurde auch die Übertragung von Geschäftsanteilen an russischen GmbHs (OOO), für die Verkäufer bzw. Käufer aus „unfreundlichen“ Staaten massiv erschwert, indem die Veräußerung/ der Erwerb auch nur mit einer Genehmigung möglich ist.

Darüber hinaus wird mit dem jüngsten Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation Nr. 16 vom 17. Januar 2023 („Erlass“) die Möglichkeit des Stimmrechtsausschlusses für die Anteilseigner und Mitglieder der Leitungsorgane der russischen Unternehmen, die den „unfreundlichen“ Staaten angehören, vorgesehen. Der vorgenannte Erlass führt eine besondere Regelung für die Beschlussfassung der Organe (Versammlung der Anteilseigner, Aufsichtsrat, kollegiales Exekutivorgan wie Vorstand und Geschäftsführung) der russischen Großunternehmen im Bereich Energie, Maschinenbau und Handel ein. Durch diesen Erlass wird faktisch erlaubt, bis zum 31. Dezember 2023 die Stimmen der (u. a.) deutschen Anteilseigner bzw. (u. a.) deutscher Mitglieder der Organe des Unternehmens nicht zu berücksichtigen, soweit folgende Kriterien erfüllt sind:

a)    Das russische Unternehmen ist im Bereich Energie (auch Elektroenergie), Maschinenbau oder Handel tätig;
b)    Gegen russische Eigentümer mit beherrschendem Einfluss oder wirtschaftliche Berechtigte dieser russischen Gesellschaft wurden von anderen Staaten (wie USA und EU) Sanktionen verhängt;
c)    Ausländische Anteilseigner aus „unfreundlichen“ Staaten wie Deutschland halten an diesem russischen Unternehmen eine Beteiligung von nicht mehr als 50%;
d)    Der Erlös des betroffenen Unternehmens im Vorjahr vor der Beschlussfassung (d. h. im Jahr 2022) übersteigt 100 Mrd. Rubel (ca. 1,4 Mrd. EUR)

Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, werden die Stimmen der Anteilseigner bzw. Mitglieder der Organe (wie Vorstand bzw. Aufsichtsrat) aus den „unfreundlichen“ Staaten bei der Beschlussfassung des jeweiligen Organs nicht berücksichtigt, soweit die übrigen Anteilseigner (außer Anteilseigner aus den „unfreundlichen“ Staaten) mit einer Mehrheit der ihnen gehörenden Stimmen das beschließen. Wird von dieser Möglichkeit des Stimmrechtsauschlusses Gebrauch gemacht, wird sich die Beschlussfähigkeit des betroffenen Organs der Gesellschaft und das Stimmergebnis bei den weiteren Beschlussfassungen nur unter Berücksichtigung der Stimmen, die nicht den Anteilseignern bzw. Mitglieder des Organs aus den „unfreundlichen“ Staaten gehören, bestimmen.

Die Russische Union der Industriellen und Unternehmer („RSPP“) soll diese Initiative ins Leben gerufen haben, um die Engpässe bei der Verwaltung der russischen Unternehmen mit der Beteiligung der ausländischen Partner aus „unfreundlichen“ Staaten zu beseitigen. Es sei Jahresbeginn, und die Unternehmen müssten Budgets und Investitionsprogramme verabschieden, die Amtszeit der Mitglieder der Leitungsorgane laufe aus. Es bestehe ein ganz breites Spektrum von Problemen, der die Tätigkeit der Unternehmen einfach einfriere, weil ein ausländischer Aktionär nicht abstimmen könne, weil ihm in seinem Land eine Haftung wegen möglichen Verstoßens gegen Sanktionen drohe. Die Maßnahme sei zeitlich befristet; sie gelte bis Ende 2023. Das Eigentumsrecht bleibe unantastbar, russische Unternehmen haben keineswegs die Absicht, ihre Partner loszuwerden. Aber das Leben gehe weiter und das Geschäft müsse funktionieren, so Alexander Shokhin, Präsident der RSSP (RBC vom 17. Januar 2023: Putin erlaubt Unternehmen, ohne Berücksichtigung der Stimmen der "unfreundlichen" Aktionäre zu entscheiden https://www.rbc.ru/business/17/01/2023/63c68ebd9a794747f2ad034c).

Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet, können bis zu einem halben Dutzend russische Großunternehmen in den Bereichen Energie, Maschinenbau und Handel die Stimmen von den Aktionären aus den „unfreundlichen“ Staaten nicht berücksichtigen.

Praxishinweis:

Neben den bereits bestehenden Beschränkungen in Bezug auf die Veräußerung der Beteiligung an den russischen Unternehmen für die Anteilseigner aus den „unfreundlichen“ Staaten bzw. Erwerb solcher Beteiligungen ist jetzt auch die Ausübung der Stimmrechte für die Anteilseigner aus den „unfreundlichen“ Staaten erschwert. Zwar betrifft die jüngste Beschränkung der Stimmrechte nur wenige russische Großunternehmen, gegen deren beherrschende Gesellschafter oder wirtschaftlich Berechtigte die Sanktion verhängt sind, und sie steht zur Disposition der übrigen Anteilseigner sowie ist zeitlich bis Ende 2023 befristet. Allerdings kann es nicht ausgeschlossen werden, dass die beiderseitige Sanktionspolitik aufgrund der weiteren Eskalation des Ukraine-Krieges weiter verschärft wird, mit der Folge weiterer faktischer Entwertung der bestehenden Beteiligung der deutschen und anderen Anteilseigner aus den „unfreundlichen“ Staaten an den russischen Unternehmen sowie Entzugs / „Einfrierens“ ihrer Gesellschafterrechte.

 

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