Newsletter Gesellschaftsrecht April 2015
Sicherheitsleistung bei Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014 – II ZR 361/13
Recht auf Sicherheitsleistung nur für Ansprüche, die innerhalb von fünf Jahren nach Bekanntmachung des Vertragsendes fällig werden
Bei Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ist die vormals herrschende Gesellschaft gem. § 303 AktG verpflichtet, Gläubigern der abhängigen Gesellschaft auf Verlangen Sicherheit für solche Forderungen zu leisten, die vor der Bekanntmachung der Beendigung des Vertrages im Handelsregister begründet worden sind. Dies führte in der Praxis bislang zu Problemen, wenn Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen wie z. B. Miet- oder Pachtverträgen betroffen waren, die vor dem genannten Zeitpunkt abgeschlossen wurden. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der BGH nunmehr durch Festschreibung einer zeitlichen Begrenzung Klarheit geschaffen.
Besteht ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag, so ist die herrschende Gesellschaft zugleich verpflichtet, Verluste der beherrschten Gesellschaft auszugleichen (§ 302 AktG). Dieser Rechtsgedanke gilt auch im GmbH-Vertragskonzern. Für Gläubiger der beherrschten Gesellschaft hat dies den Vorteil, dass die beherrschte Gesellschaft insoweit vor Zahlungsausfällen geschützt ist, als dass Verluste der abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft kompensiert werden. Vertragsabschlüsse mit der abhängigen Gesellschaft erfolgen daher häufig im Bewusstsein dieser Absicherung durch die herrschende Gesellschaft.
Verpflichtung zur Sicherheitsleistung
Das Gesetz begünstigt Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft dabei insoweit, als deren Vertrauen in diese sog. Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft auch über die Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages hinaus geschützt wird. So haben Gläubiger der abhängigen Gesellschaft das Recht, bei Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages für in diesem Zeitpunkt bereits begründeten, aber noch nicht fällig gewordenen Ansprüche Sicherheitsleistung zu verlangen (§ 303 AktG).
Begründung einer Forderung
Eine Forderung wird in diesem Sinne noch während des Bestehens eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages begründet, wenn ihr Rechtsgrund während der Laufzeit des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages gelegt wird. Bei einem Dauerschuldverhältnis wie insbesondere einem Miet- oder Pachtvertrag kommt es demnach darauf an, ob der jeweilige Vertrag in diesem Zeitraum abgeschlossen wurde, unabhängig davon, wann die einzelnen Forderungen (z. B. die monatlichen Miet- oder Pachtzinsen) jeweils fällig werden.
Praxisproblem: Dauerschuldverhältnisse
Bei Dauerschuldverhältnissen stellte sich deshalb bislang das Problem, dass letztlich alle daraus erwachsenden Forderungen (bspw. sämtliche zukünftigen Miet- und Pachtzahlungen) bereits vor Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags in diesem Sinne begründet wurden. Mangels einer im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen zeitlichen Begrenzung bestand nach dem Gesetzeswortlaut somit ein Anspruch auf Sicherheitsleistung für sämtliche entsprechenden zukünftigen Ansprüche. Eine solche Endloshaftung wurde zwar bereits bisher gemeinhin als inakzeptabel angesehen. Die Lösungsansätze der Praxis waren jedoch uneinheitlich: teils wurde eine feste, teils eine am konkreten Sicherungsinteresse des Einzelfalls ausgerichtete zeitliche Begrenzung befürwortet. Damit einher gingen somit Rechts- und Transaktionsunsicherheiten.
Die BGH-Entscheidung
Mit seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2014 hat der BGH nunmehr Klarheit geschaffen. Im entschiedenen Fall ging es um ein als Sicherheit geleistetes Bürgschaftsversprechen für noch ausstehende zukünftige Mietzinsen. Während der Vermieter eine Bürgschaft für sämtliche, während der vollen Restlaufzeit des Mietvertrages fällig werdende Mietzinsansprüche verlangte, hatte die vormals herrschende Gesellschaft des Mieters (abhängige Gesellschaft) lediglich ein zeitlich befristetes Bürgschaftsversprechen für während der ersten fünf Jahre nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages fällig werdende Mietzinsansprüche abgegeben.
Zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre
Der BGH hat mit Verweis auf die erforderliche Rechtssicherheit entschieden, dass im Falle zuvor begründeter Dauerschuldverhältnisse Gläubiger maximal Sicherheit für solche Ansprüche verlangen können, die innerhalb der ersten fünf Jahre nach Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages im Handelsregister (§ 10 HGB) fällig werden.
Analoge Anwendung anderer Nachhaftungsvorschriften
Der BGH begründet dies mit einer analogen Anwendung verschiedener anderer gesetzlicher Vorschriften, die vergleichbare Nachhaftungen ihrerseits jeweils ausdrücklich auf eine Dauer von fünf Jahre begrenzen, namentlich § 26 HGB (Haftung bei Firmenfortführung), § 160 HGB (Haftung eines ausscheidenden Gesellschafters aus der Personengesellschaft) und § 327 Abs. 4 AktG (Beendigung der Eingliederung einer Gesellschaft). Diese auf fünf Jahre begrenzte Nachhaftung sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift geboten, um die bestehende unbeabsichtigte Regelungslücke im Gesetz zu schließen. Der analogen Anwendung der weitergehenden Zehnjahresfrist des § 133 Abs. 3 Satz 2 UmwG (Nachhaftung für Versorgungsverpflichtungen bei Spaltungen) hat der BGH demgegenüber ausdrücklich eine Absage erteilt, weil die Spaltung vom Gesetzgeber als eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare, die Interessen von Arbeitnehmern besonders gefährdende Sachlage angesehen werde.
Kein Anspruch auf unveränderte Verhältnisse
In seiner Entscheidung stellt der BGH im Übrigen klar, dass der Vertragspartner einer abhängigen Gesellschaft ebenso wenig einen Anspruch auf Erhalt des Vertragskonzerns habe wie etwa der Vertragspartner einer Personengesellschaft am Verbleib eines Gesellschafters in der Personengesellschaft.
Vertragliche Absicherung
Einem dennoch bestehenden besonderen Sicherungsinteresse eines Vertragspartners am unveränderten Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse kann jedoch vertraglich von Vorneherein dadurch Rechnung getragen werden, dass dieser sich bei Vertragsabschluss entsprechende Sicherheiten geben lässt. In Betracht kommen insoweit bspw. Bürgschaften, Garantien oder Patronatserklärungen sowie die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts für den Fall der Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags.
Fazit
Die Klarstellung des BGH zur zeitlichen Begrenzung der Sicherheitsleistung bei Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen ist uneingeschränkt zu begrüßen. Dadurch wird Rechtssicherheit und Planungssicherheit insbesondere auch in M&A-Transaktionen geschaffen und unnötige Gerichtsprozesse vermieden. Im Übrigen empfiehlt sich bei Bedarf eine an der neuen Rechtsprechung angepasste vertragliche Gestaltung.