28.09.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2022

Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH

Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 27.06.2022, Az. L 11 BA 3585/20 

Das LSG bestätigt seine Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern. In diesem Zusammenhang bezog es u.a. Stellung zu der Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur (möglichen) Gleichstellung eines nicht beherrschenden Gesellschafters mit einem beherrschenden Gesellschafter auf die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern übertragen werden kann. 

Sachverhalt

Die Kläger, die jeweils Geschäftsanteile von 33,5 % an einer GmbH halten, wenden sich gegen die vom beklagten Rentenversicherungsträger (Clearingstelle) im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) getroffenen Feststellungen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Arbeitsförderungsrecht für ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH.

Entscheidung

Das LSG wies die Berufungen der Kläger zurück und bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil. Es stellt klar, dass die Kläger abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Arbeitsförderungsrecht sind. 
Ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, richte sich maßgeblich nach der Rechtsmacht des GmbH-Geschäftsführers, ihm ungelegene Weisungen oder Beschlüsse beeinflussen zu können, so das LSG mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Auf die Bestimmungen des Geschäftsführeranstellungsvertrages allein komme es mithin nicht an. 

Das LSG stellt fest, dass der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliche Merkmale bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung zur selbstständigen Tätigkeit seien, wenn der GmbH-Geschäftsführer als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist. Der Grundsatz laute: Ein Geschäftsführer, der nicht über eine Kapitalbeteiligung von mind. 50 % verfüge und kein Mehrheitsgesellschafter sei, sei grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er könne ausnahmsweise als Selbständiger anzusehen sein, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital halte oder ihm eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt worden sei.
Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen seien die Kläger nicht als selbständig anzusehen. Mit ihren Anteilen von lediglich 33,5% seien sie nicht in der Lage, ihnen nicht genehme Weisungen zu verhindern. Beschlüsse, die ihr Anstellungsverhältnis betreffen, könnten sie nicht beeinflussen. Da Gesellschaftsbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst worden seien und die Stimmanteile sich nach der Höhe der Geschäftsanteile richteten, hätten zwei Gesellschafter daher den dritten Gesellschafter überstimmen können. Auch habe keine umfassende Sperrminorität bestanden, mit der jeder Gesellschafter ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung hätte verhindern können, so das LSG.

Schließlich führe auch die ständige Rechtsprechung des BFH zu keinem anderen Ergebnis. Danach könne ein Gesellschafter einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, selbst wenn er nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile hält. Dies sei dann möglich, wenn er mit anderen gleichgerichtete finanzielle Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirke, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen (BFH, Urt. v. 3.2.2011, VI R 4/10, Rn. 17). Das LSG führt aus, dass hierauf im Sozialversicherungsrecht allerdings gerade nicht abgestellt werden könne. Selbst schuldrechtliche Stimmbindungsverträge seien für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers unbeachtlich.

Das Argument der Kläger, Anstellungsverträge seien von vorneherein kein taugliches Indiz für eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV, da diese zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei beherrschenden Gesellschaften mit fremdüblichem Inhalt abgeschlossen werden müssten, überzeugt das LSG ebenso wenig. Dies käme nur dann in Betracht, wenn solche Geschäftsführeranstellungsverträge nichtige Scheingeschäfte i.S.d. § 117 BGB darstellen würden. Dies sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der steuerrechtlich erstrebte Erfolg einen zivilrechtlich wirksamen Geschäftsführeranstellungsvertrag voraussetze.

Auch das Vorbringen der Kläger, wonach sie „Kopf und Seele“ des Unternehmens gewesen seien und aufgrund der familiären Bindungen eine Weisungsgebundenheit ausgeschlossen sei, vermag eine Selbstständigkeit nicht begründen. Das LSG stellte klar, dass diese Argumentation nicht mehr der ständigen Rechtsprechung des BSG entspreche und daher unbeachtlich sei. 

Praxishinweis

Das LSG bestätigt die ständige Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und verdeutlicht einmal mehr die Abkehr von der Kopf-und-Seele-Rechtsprechung des BSG. Darüber hinaus zieht es eine klare Grenze zu der Judikatur des BFH.

Für die Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung sind folgende Grundsätze maßgeblich:

1. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, richtet sich stets nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit. Indizien für eine nichtselbständige Arbeit sind die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Maßgeblich ist insoweit die „persönliche Abhängigkeit“. Ist der Beschäftigte etwa in einen Betrieb eingegliedert und unterliegt er hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit einem umfassenden Weisungsrecht, so handelt es sich um eine nichtselbständige Arbeit.

Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Möglichkeit über die eigene Arbeitskraft frei zu verfügen und sich seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei einteilen zu können (BSG, Urt. v. 28.09.2011, B 12 R 17/09 R).

2. Ob ein GmbH-Geschäftsführers abhängig beschäftigt ist, beurteilt sich nach dem GmbHG, dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag und dem Geschäftsführeranstellungsvertrag. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die rechtliche Möglichkeit hat, als beherrschender oder zumindest mit einer qualifizierten Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen der Gesellschafter an sich jederzeit abzuwenden (BSG, Urt. v. 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R).

a) Mehrheitsgesellschafter
Hält der Gesellschafts-Geschäftsführer 50 % oder mehr der Kapitalanteile, kann er maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterversammlung nehmen und verfügt in der Regel über die für Selbstständigkeit erforderliche Rechtsmacht (BSG, Urt. v. 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R). 

b) Minderheitsgesellschafter
Halten Gesellschafts-Geschäftsführern hingegen Stammkapital der GmbH von unter 50 %, kommt ihnen keine vergleichbare Rechtsmacht zu. Aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit sind sie daher grundsätzlich abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn etwa der Gesellschaftsvertrag eine umfassende Sperrminorität einräumt (BSG, Urt. v. 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R).

3. Kopf-und-Seele-Rechtsprechung
Eine faktische Weisungsfreiheit in Familiengesellschaften ist für die Beurteilung des Beschäftigtenstatus unbeachtlich.

Nach der Kopf-und-Seele-Rechtsprechung des BSG kam bei Fremdgeschäftsführern einer Familiengesellschaft eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht. Voraussetzung hierfür war, dass er die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber führen konnte und andere Gesellschafter – aufgrund der familiären Bindungen - ihn daran nicht hinderten. Entscheidend war, dass der Geschäftsführer „Kopf und Seele“ des Unternehmens war.

Diesen Vorrang auf Grundlage von rein faktischen Verhältnissen gab das BSG im Jahr 2015 auf (BSG, Urt. v. 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R). Maßgeblich sei vielmehr die durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumte Rechtsmacht. Die dem Minderheitsgesellschafts-Geschäftsführer faktisch oder durch Anstellungsvertrag eingeräumten Freiheiten seien jederzeit abänderbar und somit für die Beurteilung des Beschäftigtenstatus nicht aussagekräftig. 
 

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