Newsletter Arbeitsrecht März 2014
Stichtagsklauseln bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter
BAG, Urteil vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12
Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.
Die Parteien haben über einen Anspruch auf eine als „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnete Sonderzahlung für das Jahr 2010 gestritten. Der Kläger war seit 2006 bei der Beklagten als Controller beschäftigt. Er erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine zunächst als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 dann als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Zudem übersandte die Beklagte ihren Arbeitnehmern jeweils im Herbst ein Schreiben, in dem die „Richtlinien“ der Auszahlung aufgeführt waren. In dem Schreiben für das Jahr 2010 hieß es u. a., die Zahlung erfolge „an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden. Weiter sollten die Arbeitnehmer für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September 2010. Mit seiner Klage machte der Kläger eine anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung geltend.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Beklagte entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung verurteilt.
Mischcharakter, Betriebstreue und Vergütung
Nach Auffassung des BAG soll die Sonderzahlung einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und somit die Betriebstreue belohnen. Zudem dient die Vergütung zugleich auch der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit. In derartigen Fällen seien Stichtagsklauseln, wie die hier vereinbarte, nach § 307 Abs.1 S. 1 BGB unwirksam. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und stehen im Widerspruch zu § 611 Abs. 1 BGB, da sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehen. Der Vergütungsanspruch wurde nach der hiesigen Richtlinie monatlich erworben. Es gebe hingegen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderleistung vornehmlich eine Gegenleistung für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers bzw. für eine noch nicht erbrachte Arbeitsleistung darstellen solle.
Stichtagsklausel bei Vergütung unzulässig
Für die wirksame Vereinbarung einer Stichtagsregelung ist zwingend erforderlich, dass es sich bei der betreffenden Sonderzahlung um eine reine Gratifikation handelt, die ausschließlich die in der Vergangenheit gezeigte und für die Zukunft erwartete Betriebstreue honoriere. Sobald mit der Zahlung (zumindest auch) die Vergütung von Arbeitsleistung bezweckt werde, sind Stichtagsregelungen generell unzulässig, da sie den Arbeitnehmer i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligten. Möchte der Arbeitgeber eine Sonderzahlung vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungsstichtag oder einem definierten Termin im Folgejahr abhängig machen, ist zu empfehlen, im Rahmen der entsprechenden Zahlung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese ausschließlich die Belohnung von Betriebstreue und nicht (auch) die Abgeltung der Leistung des Arbeitnehmers bezweckt.
Fazit
Seine bisherige Rechtsprechung, Bestandsklauseln seien auch dann zulässig, wenn die betreffende Sonderzahlung sowohl der Vergütung bereits erbrachter Arbeitsleistung als auch der Honorierung von Betriebstreue dient, gibt der Senat ausdrücklich auf. Auch der zusätzliche Zweck der Sonderzahlung ändert nichts daran, dass dem Arbeitnehmer durch die Stichtagsregelung bereits verdiente Arbeitsvergütung entzogen wird. Es besteht kein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers daran, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich zu verändern.