Newsletter Arbeitsrecht Juni 2015
Stundensatzhonorar für Betriebsratsanwälte
LAG Niedersachsen – 11 TaBV 51/14
Gemäß den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) muss der Arbeitgeber die erforderlichen Kosten des Betriebsrats übernehmen. Dazu können auch die Kosten der anwaltlichen Beratung des Betriebsrats gehören. Es liegt auf der Hand, dass die Kostenübernahme für gegen den Arbeitgeber gerichtete Beratung enormen Konfliktstoff birgt.
Der Gesetzgeber hat das Grundmodell der anwaltlichen Honorare im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Dieses knüpft das Honorar weitgehend an den „Wert“ des Streites. Der sagt aber nichts darüber aus, wie lange der Anwalt an dem Fall arbeitet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich zur Maßgeblichkeit des RVG bekannt; nur in begründeten Ausnahmefällen sind auch Stundenhonorare zulässig. Das BAG vertritt regelmäßig die Auffassung, dass der Streit um Mitbestimmungsrechte immer gleich viel wert sei, egal wie viele Mitarbeiter betroffen sind. Der Wert von 5.000 Euro führt – unabhängig vom Arbeitsaufwand – zu einem Honorar von weniger als 1.000 Euro.
Entscheidung des LAG Niedersachsen
Vor diesem Hintergrund ist eine aktuelle Entscheidung des LAG Niedersachsen (Beschluss vom 14.10.2014 – 11 TaBV 4159/14) zu sehen, die die Zusage eines Stundenhonorars von 290 Euro netto bzw. 100 Euro netto für reine Reisezeiten durch einen Betriebsrat sowie das Gesamthonorar von 35.000 Euro für die Begleitung einer Restrukturierung für angemessen hielt und den Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtete.
Kritik der Entscheidung
Das LAG Niedersachsen begründet die Ausnahme von dem geltenden Grundsatz (RVG) mit einer Fülle von (Schein-)Argumenten: Dass der Arbeitgeberanwalt auf Stundenbasis honoriert wurde, war irrelevant. Das BetrVG kennt kein Recht auf gleiche Vergütung von Arbeitgeber- und Betriebsratsanwalt. Auch der Hinweis des LAG, dass wegen der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats die Beratung generell komplexer sei und daher eine höhere Vergütung gerechtfertigt sei, kann nicht überzeugen. Auch der Verweis auf die Kommentarliteratur zum RVG, die Stundensätze von 500 Euro für angemessen erachte, lag neben der Sache. An der zitierten Stelle wird nämlich die Sittenwidrigkeit von (zu hohen) Stundensätzen thematisiert, nicht deren Erforderlichkeit im Sinne des BetrVG.
Scheinargumente
Auch die Forderung des Gerichts, der Arbeitgeber müsse überdurchschnittlich qualifizierte Betriebsratsanwälte benennen, die auf Basis des RVG abrechnen, ist deplatziert. Dem Betriebsrat obliegt die Beweislast dafür, dass das konkrete Honorar erforderlich war. Entlarvend ist der Hinweis des LAG, dass die Bestimmung des Gegenstandswerts schwierig und ein Rechtsstreit darum wahrscheinlich sei. Daraus zieht das LAG Niedersachsen den Schluss, dass das Stundenhonorar die verlässlichere und überprüfbarere Variante sei. Das ist Rechtsverweigerung.
Vertrauensverhältnis und Vorbefassung
Beachtenswert sind zwei andere Argumente des LAG: Zum einen habe der Arbeitgeber einmal Jahre zuvor dem konkreten Stundensatz bei demselben Betriebsratsanwalt zugestimmt. Zum anderen kenne dieser Rechtsanwalt den Konzern und die dort handelnden Personen bereits seit Jahren. In der schwierigen Restrukturierungssituation sei das Vertrauensverhältnis zu ihm daher von wesentlicher Bedeutung gewesen.
Prüfungsmaßstab des § 40 BetrVG
Anders als das Gesetz suggeriert (Erforderlichkeit) ist der Prüfungsmaßstab für die Kostentragung kein rein objektiver. Es ist vielmehr zu prüfen, ob der Betriebsrat – nach Abwägung aller Gesichtspunkte – berechtigt davon ausgehen durfte, dass bestimmte Kosten „erforderlich“ seien. Der Prüfungsmaßstab ist daher, auch um das „Ehrenamt Betriebsrat“ keinen übermäßigen Haftungsrisiken auszusetzen, großzügiger als der Maßstab einer Rechtsschutzversicherung. Die beiden letztgenannten Argumente des LAG können im Einzelfall in der Tat eine Mandatierung auf Stundensatzbasis rechtfertigen. Das LAG geht hier recht pauschal vor. Oft mag der Betriebsrat darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber wie in der Vergangenheit Kosten übernehmen werde. Im Streitfall hatte der aber vor der Mandatierung kein solches Placet erklärt. Zugeständnisse sind auf Betriebsebene für beide Seiten auch über die gesetzlichen Minimalgrenzen hinweg zum Glück üblich. Ein freiwilliges Zugeständnis darf dann aber zu keiner Selbstbindung für die Zukunft führen. Insofern wäre hier eine detailliertere Auseinandersetzung mit den Argumenten durch das LAG Niedersachsen wünschenswert gewesen.
Fazit
Die Grundkonstellation, wonach der Arbeitgeber die gegen ihn selbst gerichtete Beratung des Betriebsrates zu vergüten hat, birgt per se Konfliktstoff. Nicht zu Unrecht hat der BGH kürzlich erst die persönliche Haftung von Betriebsratsmitgliedern für das Auslösen unangemessener, nicht erforderlicher Kosten bejaht. Hier lassen die Gerichte und der Gesetzgeber die Betriebspartner oft allein. Verlässliche Streitwerttabellen würden allen Parteien helfen.