Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2020
Update: Bilanzgarantien in Unternehmenskaufverträgen
Bilanzgarantien stellen nach wie vor ein wichtiges Instrument in der M&A-Praxis dar. Sie dienen dem Schutz des Käufers und dessen Bewertung des Zielunternehmens. Zwei Entscheidungen des OLG München und des OLG Frankfurt a. M. aus den Jahren 2011 bzw. 2015 lösten verschiedene Unsicherheiten bei der Ausgestaltung solcher Klauseln in der Praxis aus. Diese Entscheidungen hatten wir in unserem Newsletter aus Oktober 2016 beschrieben. Die weiterhin bestehende Bedeutung dieser Thematik gibt Anlass dafür, einen Überblick über neue Entwicklungen zu geben.
Bilanzgarantie als wichtiges Käuferschutzinstrument
Die Jahresabschlüsse des Zielunternehmens spielen bei M&A-Transaktionen für den Käufer eine maßgebliche Rolle. Sie bilden die Grundlage der Bewertung des Wertes des Zielunternehmens und damit auch für die Bestimmung des Kaufpreises. Der Käufer muss bei seiner Bewertung in besonderem Maße auf die Angaben in den vorhandenen Jahresabschlüssen vertrauen. Der Käufer benötigt für den Fall, dass sich diese im Nachgang als fehlerhaft oder irreführend herausstellen, einen ausreichenden Schutz. Dieser wird durch Vereinbarung einer Bilanzgarantie gewährleistet. Darin garantiert der Verkäufer regelmäßig die Richtigkeit einer oder mehrerer Jahresabschlüsse. Rechtsfolge eines Verstoßes ist üblicherweise die Wiederherstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn die Garantie richtig gewesen wäre. Wenn dies nicht möglich ist, ist Schadensersatz in Geld zu leisten.
Unterscheidung zwischen „harter“ und „weicher“ Bilanzgarantie
Im Hinblick auf den Umfang der Bilanzgarantie wird typischerweise zwischen „weichen“ und „harten“ Bilanzgarantien wie folgt unterschieden:
- „Weiche“ (subjektive) Bilanzgarantie: Eine Garantie für einen Jahresabschluss, der mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter Beachtung der gesetzlichen Aufstellungsgrundsätze aufgestellt wurde.
- „Harte“ (objektive) Bilanzgarantie: Eine Garantie für die vollständige und objektive Richtigkeit des betreffenden Jahresabschlusses zu einem bestimmten Zeitpunkt. Hiervon werden auch Umstände erfasst, die zum Aufstellungszeitpunkt des Abschlusses weder bekannt noch erkennbar waren.
Inhalt der gerichtlichen Entscheidungen
Die Entscheidungen des OLG München (Urteil vom 30. März 2011 – 7 U 4226/10) und des OLG Frankfurt a. M. (Urteil vom 7. Mai 2015 – 26 U 35/12) hatten jeweils die Auslegung von Bilanzgarantien zum Gegenstand. In beiden Fällen legten die Gerichte diese als „harte“ Bilanzgarantien aus, obwohl die M&A-Praxis diese regelmäßig als „weiche“ Bilanzgarantien ausgelegt hatte.
Aktueller Stand in Literatur und Praxis
Diese Entscheidungen wurden soweit ersichtlich in sämtlichen in der Literatur veröffentlichen Stellungnahmen kritisiert und bezüglich ihres Ergebnisses und ihrer Begründung abgelehnt. In der Praxis haben sich jedoch aus Vorsichtsgründen bei der Formulierung von Bilanzgarantien nunmehr teilweise Formulierungen etabliert, die eine Auslegung, wie von den OLG vorgenommen, verhindern sollen. So finden sich dort zum einen Formulierungen, die eine ausdrückliche Abgrenzung zur anderen Art der Bilanzgarantie vorsehen. Zum anderen werden Formulierungen gewählt, die die üblicherweise vom Verkäufer nicht gewünschte Auslegung als „harte“ Bilanzgarantie ausdrücklich ausschließen sollen. Entsprechend finden sich in der Literatur bereits Vorschläge für Musterformulierungen. Angesichts weiterhin bestehender Unsicherheiten und der Komplexität dieses Themas ist bei der Verwendung pauschaler Formulierungsvorschläge allerdings Vorsicht geboten. Vielmehr ist zu empfehlen, bislang verwendete Musterklauseln auf notwendigen Änderungsbedarf zu prüfen.
Fazit
Die durch die gerichtlichen Entscheidungen im Jahr 2011 und 2015 hervorgerufenen Unsicherheiten bei der Gestaltung von Bilanzgarantien bestehen unverändert fort. Allein eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs könnte diesen Zustand beenden. Diese ist jedoch schon deshalb nicht zu erwarten, da Rechtsstreitigkeiten über Bilanzgarantien in den meisten Fällen Gegenstand von Schiedsverfahren sind. Es bleibt daher bei der Empfehlung, bei der Ausgestaltung der Bilanzgarantien sowohl den genauen Umfang der Garantie als auch die Folgen eines Verstoßes des Verkäufers gegen diese Garantie ausdrücklich zu regeln. Dies gilt insbesondere für den Verkäufer: Dieser sollte mit Blick auf die gravierenden Folgen einer „harte“ Bilanzgarantie so weit wie möglich klarstellen, dass nur eine „weiche“ Bilanzgarantie gewährt wird.