31.01.2018Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Januar 2018

Update Mindestlohn – Anrechenbare Entgeltbestandteile

Das seit dem 1.1.2015 geltende Mindestlohngesetz sichert jedem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro brutto pro geleisteter Zeitstunde. Bislang war in der Praxis fraglich und umstritten, welche Bestandteile des vom Arbeitgeber gewährten Entgelts auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden könnten. Der nachfolgende Beitrag fasst die hierzu vom Bundesarbeitsgericht ausgeurteilten Grundsätze zusammen.

Anrechenbare Entgeltbestandteile

Für die Beurteilung, welche Entgeltbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar sind, ist im Ausgangspunkt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitnehmerentsenderecht und die diesbezüglich ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zurückzugreifen. In seinen Urteilen vom 14.4.2005 (C-341/02) und 7.11.2013 (C-522/12) hat der EuGH die Anrechnung eines Entgeltbestandteils auf den Mindestentgeltsatz dann zugelassen, wenn dadurch das synallagmatische Verhältnis von vertraglich geschuldeter Arbeitsleistung und Gegenleistung nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verschoben wird.

Grundsatzentscheidung des BAG vom 25.5.2016 (5 AZR 135/16)

Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile in mehreren grundlegenden Entscheidungen auf das Mindestlohngesetz übertragen und spezifiziert. In der Leitentscheidung vom 25.5.2016 führt das BAG hierzu aus, der Arbeitgeber habe den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreiche, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergebe. Der Arbeitgeber erfülle den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen immer dann, wenn diese dem Arbeitnehmer endgültig verblieben. Das Mindestlohngesetz mache den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Daher gelte ein umfassender Entgeltbegriff, so dass alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet seien, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehle folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z.B. § 6 Abs. 5 ArbZG, der einen Zuschlag „auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt“ vorsieht) beruhten.

Anrechenbare Entgeltbestandteile

Das Bundesarbeitsgericht vertritt somit die Ansicht, dass alle in einem Kalendermonat im Austausch gegen die erbrachte Arbeitsleistung erfolgten Entgeltzahlungen, die dem Arbeitnehmer endgültig zur Verwendung verbleiben, anrechenbare Entgeltbestandteile sind. Darunter fällt jede Leistung eines geldwerten Vorteils durch den Arbeitgeber, die zumindest auch die unmittelbare Abgeltung der in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Arbeitsleistung zum Gegenstand hat und in das vertragliche Synallagma eingebunden ist. Damit sind aber alle geleisteten Zuschläge oder Zulagen auf den Mindestlohn anrechenbar, auch wenn sie Arbeit unter besonders schwierigen Verhältnissen (z.B. Schmutz oder Gefahrzulagen) oder für ein Mehr an erbrachter Arbeit geleistet werden. Auch Zuschläge für Überstunden, Wochenend-, Feiertagsarbeit, Schmutzarbeit oder gefährliche Tätigkeiten sind auf den Mindestlohn anrechenbar. Zusammenfassend können folgende Entgeltbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden:

  • Akkordprämien/Leistungsprämien für das Erreichen bestimmter qualitativer oder quantitativer Arbeitsergebnisse pro Zeiteinheit
  • Schmutzzulagen und Gefahrenzulagen für Arbeiten unter erschwerten Bedingungen
  • Überstundenzulagen für geleistete Überstunden
  • Schichtzulagen, für Arbeitseinsätze im Schichtbetrieb
  • Sonntag- und Feiertagszuschläge
  • Jahressonderzahlungen, sofern sie monatlich gewährt werden (Aufteilung eines 13. Monatsgehalts, Urlaubs- oder Weihnachtsgelds über alle 12 Monate)
  • Zulagen und Prämien, mit denen die regelmäßig und dauerhaft vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird (z.B. Anwesenheitsprämie oder Bauprämien )
  • Sonstige Zulagen, die bspw. zur Erreichung eines Mindestlohns regelmäßig gewährt werden.

Nicht berücksichtigungsfähige Entgeltbestandteile

Dadurch verkleinert sich der Kreis der Entgeltbestandteile, die nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sind. Nicht anrechenbar ist Arbeitsentgelt im weiteren Sinne. Darunter fallen die Entgeltbestandteile, die nicht im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung stehen, etwa reine Treue- oder Halteprämien oder sonstige Zuwendungen, die ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue oder sonstiger Zwecke außerhalb der Vergütung geleisteter Arbeit dienen. Ebenfalls nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sind Leistungen des Arbeitgebers, die keinen Entgeltcharakter haben. Dazu zählen zum Beispiel die Erstattung betrieblich veranlasster Aufwendungen oder die Überlassung von Dienstkleidung oder Arbeitsgeräten zu betrieblichen Zwecken. Auch Sachbezüge wie die Überlassung von Dienstwagen, Mobiltelefon oder Werkdienstwohnung auch zur Privatnutzung, Kost oder verbilligter Personaleinkauf sind nicht berücksichtigungsfähig.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Bei Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ist nach der vertraglichen Gestalt zu differenzieren. Ein „echtes“ Urlaubsgeld, welches pro genommenen Urlaubstag gezahlt wird, ist kein Entgelt für erbrachte Arbeitsleitung und somit nicht berücksichtigungsfähig. Wenn ein Weihnachts- oder Urlaubsgeld allein aus Zwecken der Entlohnung von Betriebstreue gezahlt wird und etwa an eine Stichtagsregelung gekoppelt ist, stellt es ebenfalls kein Entgelt im engeren Sinne dar und ist nicht berücksichtigungsfähig. Wenn der Arbeitgeber ein Weihnachts- oder Urlaubsentgelt als echtes 13. Monatsgehalt vorsieht und dieses anteilig im jeweiligen Referenzeitraum, also in jedem Kalendermonat zu 1/12 zur Auszahlung bringt, ist es wiederum Entgelt im engeren Sinne und berücksichtigungsfähig.

Fazit

Aus Arbeitgebersicht sorgen die jüngsten Entscheidungen des BAG in Bezug auf den Mindestlohn für erfreuliche Klarheit. Regelmäßig für die Erbringung der Arbeitsleistung erbrachte Entgeltbestandteile in Form von leistungsbezogenen Prämien sind als Bestandteil des Arbeitsentgelts auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Arbeitgeber sind somit nicht gehalten, bestehende Prämienregelungen aufzulösen um das feste Entgelt zu erhöhen und die Mindestlohnpflicht zu erfüllen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass der Mindestlohn auch dann gewährt werden muss, wenn ein Arbeitnehmer nur unterdurchschnittliche Arbeitsergebnisse erzielt. Im Ergebnis hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf 8,84 Euro brutto pro geleisteter Zeitstunde an Arbeitszeit. Die Einhaltung des Mindestlohnanspruchs ist vom Arbeitgeber sicherzustellen, da ansonsten empfindliche Strafen drohen.

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