Update Arbeitsrecht August 2023
Verlust des Betriebsratsmandats bei Filialschließung
Das LAG München hat sich in seinem Beschluss vom 05.06.2023 (Az.: 4 TaBV 51/22) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Betriebsrat im Falle einer Filialschließung und der Neueröffnung einer Filiale in 1,1 Kilometern Entfernung sein Betriebsratsmandat auch für die neu eröffnete Filiale behält. Dabei hat das LAG München entschieden, dass der Betriebsrat mit der Schließung der alten Filiale auch sein Betriebsratsmandat verloren hat.
Bekleidungsunternehmen eröffnet neue Filiale in räumlicher Nähe
Dem Beschluss lag die Schließung der Regensburger Filiale eines großen Bekleidungsunternehmens zugrunde. Der Mietvertrag für die zu schließende Filiale am Neupfarrplatz wurde zum 31.12.2022 gekündigt und mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt.
Gleichzeitig beschloss die Arbeitgeberin eine neue Filiale in einem 1,1 Kilometer entfernten Einkaufszentrum zu eröffnen. Nach der Eröffnung am 27.10.2022 wählten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der neuen Filiale im November 2022 einen eigenen Betriebsrat.
Die alte Filiale am Neupfarrplatz wurde zum 10.12.2022 geschlossen. Hierbei wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit Ausnahme der Filialleitung und zweier Abteilungsleiter, entgegen der ursprünglichen Ankündigung nicht in die neue Filiale übernommen.
Betriebsrat wendet sich gegen Verlust des Betriebsratsmandats
Der Betriebsrat der alten Filiale war der Auffassung, dass sein Mandat für die neue und nahe gelegene Filiale fortbestehe. Der Betrieb verfolge denselben Betriebszweck und die Umgehung des bestehenden Betriebsrates sei zumindest rechtsmissbräuchlich.
Die Arbeitgeberin hingegen sah die beiden Filialen als separate Betriebe mit unterschiedlichem Sortiment, Konzept und Design ohne weitere Übernahme von Waren oder Personal und mit Innenstadtlage bzw. Einkaufszentrum auch mit unterschiedlichem Zweck.
Arbeitsgericht stützt Auffassung des Betriebsrates
Das Arbeitsgericht hatte zunächst antragsgemäß das Fortbestehen des Betriebsrates auch für die neue Filiale festgestellt. Dabei hat es im Wesentlichen wegen der in räumlicher Nähe weiterbetriebenen Filiale ein Fortbestehen des Betriebszweckes angenommen. Daher hätte keine Betriebsschließung vorgelegen.
LAG München verneint Fortbestehen des Betriebsratsmandats
Auf die gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das LAG den Antrag des Betriebsrates abgewiesen.
Beide Filialen seien Betriebe mit jeweils eigenem Personal, Leitungsstruktur und Warensortiment. Durch die Neueröffnung der Filiale habe es zeitweise zwei parallele Betriebe gegeben. Das Mandat des Betriebsrates habe sich daher nur auf einen der Betriebe beziehen können. „Das Mandat könne nicht auf den neuen Betrieb ausgeweitet werden, da andernfalls den dortigen Mitarbeiter:innen ein Betriebsrat übergestülpt werde, den sie nicht gewählt haben. […] Dies widerspreche dem Zweck des Betriebsrats, eine betriebsspezifische Vertretung der Mitarbeiterschaft zu sein.“
Darüber hinaus sei das Verhalten der Arbeitgeberin auch dann nicht rechtsmissbräuchlich gewesen, wenn es darum gegangen wäre den alten Betriebsrat „loszuwerden“.
Fazit
Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des LAG München baut ersichtlich auf der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf. Dieses hatte in seinem Beschluss vom 07.05.2018, Az.: 7 ABR 15/07, ausdrücklich zur Betriebsratsfähigkeit von Einzelhandelsfilialen Stellung genommen und dabei zur Begründung maßgeblich auf den herkömmlichen betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff abgestellt.
Nach der Entscheidung des BAG können Einzelhandelsfilialen, je nach konkreter Ausgestaltung der maßgeblichen Arbeitgeberentscheidungen vor Ort, entweder direkt als Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG oder als Betriebsteile nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 BetrVG betriebsratsfähig sein.
Auch das LAG München stellt in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Kriterien des Betriebsbegriffes ab und bewertet beide Filialen, aufgrund der vorliegenden Umstände, als eigenständige organisatorische Einheiten zur Verfolgung bestimmter arbeitstechnischer Zwecke. Maßgeblich für diese Beurteilung seien insbesondere das jeweils unterschiedliche Personal, die eigene Leitungsstruktur und das eigene Sortiment.