Update Arbeitsrecht August 2022
Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen quantitativer Minderleistung
LAG Köln 03.05.2022 – 4 Sa 548/21
Nicht selten kommt es in Unternehmen vor, dass einzelne Arbeitnehmer quantitativ deutlich hinter der Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer zurückbleiben. In diesen Konstellationen stellt sich die Frage, worin die Gründe für die quantitative Minderleistung liegen und wie hierauf reagiert werden kann. Es kann zwar vorkommen, dass die quantitative Minderleistung mit verbesserungsbedürftigen Arbeitsabläufen zusammenhängt. Oftmals ist die quantitative Minderleistung jedoch darauf zurückzuführen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht vollumfänglich ausschöpft. In derartigen Fällen kommen verschiedene arbeitsrechtliche Maßnahmen, in letzter Konsequenz auch der Ausspruch einer Kündigung, in Betracht. Hiermit hatte sich jüngst das LAG Köln auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Der 50 Jahre alte klagende Arbeitnehmer war seit dem 15.02.2011 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Er wurde im Lager für das Trockensortiment eingesetzt. Die Kommissionierung in diesem Lager wird mit Hilfe eines Warenwirtschaftssystems gesteuert. In diesem System werden in regelmäßigen Zeitabständen die Kundenaufträge und deren Abwicklung erfasst. Ferner besteht bei der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung, die die Zahlung einer Leistungsprämie vorsieht, deren Höhe sich nach der Mengenleistung der Kommissionierer bemisst. In der Vereinbarung ist eine Basisleistung (100 %) festgelegt, die der Normalleistung entspricht und mit dem Grundlohn vergütet wird. Die Leistungsprämie soll im Durchschnitt für jeden Bereich der Kommissionierung über alle Kommissionierer etwa 120 % betragen.
Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger zwei Abmahnungen wegen bewusster Zurückhaltung seiner Arbeitskraft aus. Sie hatte mittels des Warenwirtschaftssystems festgestellt, dass die Basisleistung des Klägers nur 72,86 % entsprach, während die Basisleistung der vergleichbaren Mitarbeitergruppe im Durchschnitt bei 116,1 % lag. Die zwei Monate nach der ersten Abmahnung ausgesprochene zweite Abmahnung beruht auf demselben Vorwurf. Die Beklagte stellte diesbezüglich fest, dass die Leistung des Klägers 72,47 % der Basisleistung bei einer durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Mitarbeitergruppe von durchschnittlich 117,95 % betrug.
Zwei Monate nach Ausspruch der zweiten Abmahnung entschied sich die Beklagte, dem Kläger ordentlich zu kündigen, weil sich seine Leistungen nicht verbesserten und weiter hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückblieben. Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage sowie Klage auf Entfernung der beiden Abmahnungen aus der Personalakte. Er blieb allerdings sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz mit seiner Klage erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LAG Köln vom 03.05.2022 – 4 Sa 548/21 – ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig.
Entscheidung
Das LAG Köln hat festgestellt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam ist. Eine Kündigung ist im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag – wie meistens – der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers.
Bei quantitativen Minderleistungen des Arbeitnehmers orientiert sich die Rechtsprechung an den Werten, die für die Annahme einer grundlegenden Störung des Leistungsgleichgewichts herangezogen werden. Dies ist bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als 1/3 der Fall.
Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt, da der Kläger die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer um deutlich mehr als 1/3 über einen längeren Zeitraum unterschritten hat. Das LAG Köln hat deshalb angenommen, dass der klagende Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit bewusst nicht ausgeschöpft hat, sodass die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt ist.
Praxistipp
Sofern sich Arbeitgeber dazu entscheiden, arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen „Lowperformer“ einzuleiten, bedarf es zuvor einer genauen Prüfung, denn es gilt eine abgestufte Darlegungslast für den Arbeitgeber:
Dieser muss in einem Kündigungsrechtsstreit zunächst die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistungsmenge vortragen. Kennt er – was in der Praxis in der Regel der Fall sein wird – lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich – mindestens um 1/3 – unterschreiten. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers hierauf zu entgegnen, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. In der Regel werden altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen. Nur wenn der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel darlegt, ist es Sache des Arbeitgebers, diese zu widerlegen. Trägt der Arbeitnehmer hingegen derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden. Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.
Arbeitgebern ist daher dringend empfohlen, eine entsprechende Prüfung nach diesen Maßstäben vorzunehmen. Ferner sollte sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer vor einer Kündigung einschlägig abgemahnt worden ist. Dadurch wird sichergestellt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird und der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, seine Arbeitsleistung zu verbessern.
Für Arbeitgeber ist es in jedem Fall angezeigt, frühzeitig mit „Lowperformern“ zu sprechen, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Zeigt dies keinen Erfolg, können weitergehende arbeitgeberseitige Maßnahmen – zunächst in Form einer Abmahnung – getroffen werden. Wird auch dadurch keine Verbesserung erreicht, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.