28.04.2021Fachbeitrag

Update Restrukturierung 6/2021

Auswirkung der Vollstreckungssperre gem. § 29 StaRUG auf Zwangsversteigerung und -verwaltung

Am 01.01.2021 ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz – StaRUG) als Teil des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) in Kraft getreten (s. hierzu unser Update Restrukturierung 1/2021). Als mögliche Stabilisierungsanordnung im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens sieht das StaRUG eine Vollstreckungssperre vor. Diese kann sich auch auf die Zwangsvollstreckung in das Immobilienvermögen des Schuldners beziehen. Unklar ist jedoch, wie sich die Vollstreckungssperre im Einzelnen auf ein Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahren auswirkt.

Vollstreckungssperre gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG auch für unbewegliches Vermögen

Auf Antrag des Schuldners ordnet das Restrukturierungsgericht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG an, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden, soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist. Angelehnt sind die Stabilisierungsanordnungen nach dem StaRUG an die Anordnung von Sicherungsmaßnahme im vorläufigen Insolvenzverfahren (BT-Drucks. 19/24181, S. 91). Im Unterschied zu § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO kann die Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG allerdings auch das unbewegliche Vermögen und damit die Vollstreckung in das Immobilienvermögen des Schuldners erfassen.

Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts

Ebenfalls neu eingefügt wurde durch Art. 4 SanInsFoG ein neuer § 30g ZVG. Danach ist das Zwangsversteigerungsverfahren auf Antrag des Schuldners einstweilen einzustellen, wenn eine Vollstreckungssperre auch unbewegliches Vermögen des Schuldners erfasst. Dies wirft gleich mehrere Fragen auf. Stellt die Vollstreckungssperre nicht bereits als solche ein von Amts wegen von dem Vollstreckungsgericht zu beachtendes Vollstreckungshindernis dar? Bedarf es für die Wirkung der Vollstreckungssperre eines Antrags des Schuldners? Schließlich stellt sich die Frage, welche Wirkung die Vollstreckungssperre auf die Zwangsverwaltung hat, da es an einer dem § 30g ZVG entsprechenden Regelung für die Zwangsverwaltung fehlt (§§ 153b f. ZVG). § 30g ZVG soll nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich den Vollzug einer einstweiligen Einstellung oder Untersagung der Zwangsversteigerung regeln (BT-Drucks. 19/24181, S. 190).

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich von Amts wegen

Fest steht, dass die Vollstreckungssperre nicht unmittelbar auf ein Zwangsvollstreckungsverfahren wirkt und es eines Einstellungsbeschlusses des Vollstreckungsgerichts bedarf. Fraglich ist allerdings, ob es hierzu eines Schuldnerantrags bedarf. Gemäß § 28 Abs. 2 ZVG hat das Vollstreckungsgericht das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilen einzustellen, wenn ihm eine Verfügungsbeschränkung oder ein Vollstreckungsmangel bekannt wird. Einen Vollstreckungsmangel stellt eine gerichtliche Entscheidung i.S.v. § 775 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dar, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung angeordnet ist. Unstreitig sind Anordnungen des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Entscheidungen in diesem Sinne. Da der Gesetzgeber die Vollstreckungssperre an § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO angelehnt hat, könnte diese von Amts wegen zu berücksichtigen sein und sowohl ein Zwangsversteigerungs- als auch ein Zwangsverwaltungsverfahren ohne Antrag des Schuldners eingestellt werden, sobald die Vollstreckungssperre dem Vollstreckungsgericht bekannt wird (so Hintzen, ZflR 2021, 64, 66 f.).

Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens wegen § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG nur auf Antrag

§ 30g Abs. 1 S. 1 ZVG jedoch sieht im Unterschied zu § 28 ZVG vor, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung aufgrund einer Vollstreckungssperre nur auf Antrag des Schuldners angeordnet wird. Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Einstellung dem betreibenden Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist (§ 30g Abs. 1 S. 1 ZVG). Gemäß § 30g Abs. 2 S. 1 ZVG ist die einstweilige Einstellung zudem grundsätzlich mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen zu zahlen sind und ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust durch laufende Zahlungen auszugleichen ist. Die Vollziehung der Vollstreckungssperre hat für den Schuldner also Kosten und es kann somit durchaus in seinem Interesse liegen, das Zwangsversteigerungsverfahren nicht einstellen zu lassen. Und auch nach dem geäußerten Willen des Gesetzgebers soll die Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens aufgrund einer Vollstreckungssperre nur unter den Voraussetzungen des § 30g ZVG erfolgen (BT-Drucks. 19/24181, S. 154). § 30g ZVG stellt sich mithin als lex specialis zu § 28 ZVG dar. Die einstweilige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens durch das Vollstreckungsgericht aufgrund einer Vollstreckungssperre erfolgt damit nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Schuldners.

Auswirkung einer Vollstreckungssperre gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG auf die Zwangsverwaltung

Den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen ist hingegen, welche Auswirkungen die Vollstreckungssperre auf die Zwangsverwaltung haben soll. Mangels Anwendbarkeit von § 30g ZVG hat die einstweilige Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens von Amts wegen gemäß § 28 Abs. 2 i.V.m. § 146 ZVG zu erfolgen (so im Ergebnis auch Hintzen, ZflR 2021, 64, 68). Der Zwangsverwalter bleibt im Amt. Überschüsse aus der Verwaltung sind aber während des Bestehens einer Stabilisierungsanordnung nicht an den Gläubiger auszukehren (so für die vorläufige Einstellung nach § 765a ZPO: OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.1969 - 15 W 84/69).

Es besteht gesetzgeberischer Nachbesserungs- bzw. Klarstellungsbedarf

Wie auch an anderer Stelle im SanInsFoG besteht auch im Hinblick auf die Vollziehung der Vollstreckungssperre in der Immobiliarvollstreckung Nachbesserungs- bzw. Klarstellungsbedarf. Wünschenswert wäre eine Klarstellung des Verhältnisses von § 30g ZVG zu § 28 ZVG und insbesondere der Auswirkungen einer Vollstreckungssperre auf die Zwangsverwaltung.

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