Update Arbeitsrecht September 2021
Corona-Virus und Impfung: FAQ Arbeitsrecht
1.Kann der Arbeitgeber eine Pflicht für Beschäftigte anordnen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen?
Nein. Die Entscheidung der Beschäftigten, sich impfen zu lassen, genießt verfassungsrechtlichen Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz). Dem steht zwar die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber, der nicht nur ein Interesse daran hat, Corona-bedingte Krankheitsausfälle zu vermeiden, sondern auch dazu verpflichtet ist, die Beschäftigten vor der im Betrieb im Hinblick auf die Corona-Pandemie bestehende Gefährdungslage zu schützen. Dabei sieht die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 6. September 2021 in § 2 Abs. 1 S. 3 ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes berücksichtigen kann. Die Entscheidung des Beschäftigten, sich impfen zu lassen, steht jedoch grundsätzlich nicht in unmittelbarem Bezug zum Arbeitsverhältnis, so dass keine Möglichkeit des Arbeitgebers besteht, mittels Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, die Beschäftigten anzuweisen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Dies dürfte aufgrund des damit verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriffs auch dann gelten, wenn es sich um Berufe in besonders sensiblen Bereichen wie der Pflege oder um medizinisches Fachpersonal handelt, soweit es keine gesetzliche Impfpflicht für diese Berufsgruppen gibt.
2. Muss der Arbeitgeber Beschäftigte für einen Impftermin freistellen?
Das Bundeskabinett hat am 1. September 2021 beschlossen, die Geltungsdauer der Corona-Arbeitsschutzverordnung zu verlängern und diese zu ergänzen. Arbeitgeber sollen sich u.a. künftig verstärkt um die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeitenden bemühen. Die Verordnung trat am 10. September 2021 in Kraft und gilt bis zum 24. November 2021.
§ 5 Abs. 1 S. 1 Corona-ArbSchVO lautet nunmehr wie folgt:
„(1) Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten zu ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen.(…)“
Mit Impfangeboten während der Arbeitszeit soll die spontane Impfbereitschaft der Beschäftigten stimuliert werden, verfügbare niederschwellige Corona-Impfangebote im Betrieb und auch bei mobilen Impfteams wahrzunehmen.
Es geht weder aus der Verordnung, noch aus der Begründung eindeutig hervor, ob es sich um eine bezahlte oder um eine unbezahlte Freistellung handeln soll.
Das BMAS wendet für den Fall einer bezahlten Freistellung die Grundsätze des § 616 BGB an. Grundsätzlich behalten die Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in der Person liegenden Grund ohne Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind. Die Wahrnehmung des Impftermins kann als persönlicher Hinderungsgrund angesehen werden, sofern die Beschäftigten den Impftermin während der Arbeitszeit angeboten bekommen und auf die Termingestaltung selbst keinen Einfluss haben. Am Anfang der Impfkampagne wäre dies tatsächlich noch relevant gewesen, da man aufgrund der Impfstoffknappheit froh sein konnte, einen Impftermin „zu ergattern“. Die Uhrzeit bzw. den Tag konnten sich die wenigstens Arbeitnehmer aussuchen. Sofern nun aber betriebsverträglichere Impfangebote beziehungsweise Termine in Frage kommen, die außerhalb der Arbeitszeit liegen, dürfte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Die Beschäftigten sind nämlich weiterhin verpflichtet, den durch die Wahrnehmung von Impfterminen entstehenden Arbeitsausfall so gering wie möglich zu halten.
Jedenfalls haben Arbeitnehmer eine Freistellung zur Impfung in geeigneter bzw. betriebsüblicher Form zu beantragen. Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, die notwendigen arbeitsorganisatorischen Maßnahmen zu treffen.
Die Auswirkungen dieser Vorschrift dürften überschaubar sein, da die meisten Arbeitgeber den Arbeitnehmern die (bezahlte) Freistellung zur Impfung auch bisher ermöglicht haben, um das Infektionsrisiko und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko zu minimieren.
3. Ist der Arbeitgeber verpflichtet, COVID-Impfungen durchzuführen oder anzubieten?
Neben der Diskussion, ob eine Impfpflicht für Arbeitnehmer rechtlich begründbar ist, kann sich in umgekehrter Richtung die Frage stellen, ob ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet ist, COVID-Impfungen selbst bzw. durch einen Betriebsarzt durchzuführen oder in anderer Weise, etwa in Kooperation mit externen Anbietern, zu ermöglichen. Ob eine derartige Verpflichtung besteht, ist nicht pauschal zu beantworten, da eine „Impfpflicht“ des Arbeitgebers maßgeblich von den konkreten Umständen abhängt, unter denen die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit erbringen. Im Wesentlichen ist wie folgt zu unterscheiden:
Nach § 6 Abs. 2 S. 3 der Arbeitsmedizinischen Vorsorge-Verordnung (ArbMedVV) sind Impfungen „Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge und den Beschäftigten anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist.“ Das Risiko einer Infektion ist durch den Arbeitgeber im Rahmen einer – nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG grundsätzlich mitbestimmungspflichtigen – Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG (i. V. m. § 3 Abs. 1 ArbMedVV) festzustellen.
Ein erhöhtes Risiko für eine COVID-Infektion wird vor allem anzunehmen sein bei Tätigkeiten im medizinischen und im Pflegebereich. Der Umstand, dass Arbeitnehmer ihre Tätigkeit in räumlicher Nähe zu Kunden oder anderen Beschäftigten verrichten – beispielsweise im Einzelhandel oder im Großraumbüro – führt dagegen alleine noch nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 6 Abs. 2 S. 3 ArbMedVV. Eine arbeitgeberseitige Pflicht zum Angebot einer COVID-Impfung nach § 6 Abs. 2 S. 3 ArbMedVV ist somit insgesamt eher ein Ausnahmefall.
Im Übrigen besteht regelmäßig weder eine gesetzliche noch eine arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitgebers, COVID-Impfungen durchzuführen oder anzubieten. Zwar treffen den Arbeitgeber weitreichende Nebenpflichten gegenüber seinen Beschäftigten. So ist der Arbeitgeber – ausgehend von seiner arbeitsvertragsimmanenten Fürsorgepflicht – gehalten, Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer soweit zu schützen, wie es die Natur der Arbeitstätigkeit erlaubt und hierzu die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in § 618 BGB und in den Bestimmungen zum Arbeitsschutz, unter anderem den §§ 3 ff. ArbSchG. Zum Arbeitsschutz zählt freilich auch der Schutz vor Infektionskrankheiten wie COVID-19. Eine allgemeine Verpflichtung zur Bereitstellung von COVID-Impfungen besteht jedoch nach geltender Rechtslage nicht. Hinsichtlich der COVID-Pandemie hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“, die „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ und die „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ erstellt, die die Schutzpflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie konkretisieren. Arbeitgeber, die sich an diese Regeln halten, können davon ausgehen, damit zugleich die Anforderungen an den betrieblichen Infektionsschutz zu erfüllen. Da die vorgenannten Regelungen eine entsprechende Verpflichtung nicht beinhalten, wird man im Grundsatz annehmen können, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten – außer in den eingangs beschriebenen Anwendungsfällen der ArbMedVV – kein Impfangebot machen muss.
Gleichwohl kann man erwägen, den Arbeitnehmern auf freiwilliger Basis eine Impfung zu ermöglichen. Dies kann der Erhöhung der Impfquote im Unternehmen und damit dem Infektionsschutz dienen und wird zugleich – jedenfalls von der Mehrheit der Beschäftigten – als „Benefit“ wahrgenommen. Aus haftungsrechtlicher Sicht kann es dabei allerdings vorzugswürdig sein, ein entsprechendes Impfangebot nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch den Betriebsarzt oder einen anderen externen Anbieter zu unterbreiten. Im Fall eines externen Impfangebots haftet der Arbeitgeber – so das Bundesarbeitsgericht zum Fall einer im Betrieb angebotenen Grippeschutzimpfung (BAG, Urteil v. 21.12.2017 – 8 AZR 853/16) – nur für die ordnungsgemäße Auswahl der die Impfung durchführenden Person, nicht aber für etwaige Gesundheitsschäden infolge der Impfung selbst.
4. Kann der Arbeitgeber Sanktionen gegen Beschäftigte ergreifen, die sich weigern, sich impfen zu lassen?
Aus Aspekten des Gesundheitsschutzes ist es für viele Arbeitgeber wünschenswert, dass sich alle Arbeitnehmer impfen lassen. Bei dem Versuch, die Arbeitnehmer zur Impfung zu motivieren, stellt sich häufig die Frage nach hierfür zur Verfügung stehenden Maßnahmen. Der Arbeitgeber kann jedoch, auch wenn gemachte Anreize für die Impfung nicht den gewünschten Erfolg erzielen, nicht einfach auf Sanktionen zurückgreifen. Sanktionen nicht geimpfter Arbeitnehmer sind insbesondere am Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu messen. Dieses Verbot regelt, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht benachteiligen darf, wenn diese in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben. Maßgeblich kommt es also darauf an, ob der Arbeitnehmer wirksam zur Impfung verpflichtet ist (siehe Frage 1). Nur im Falle einer wirksamen Impfpflicht gehört dies auch zu den arbeitsvertraglichen Pflichten. Eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann der Arbeitgeber mit Abmahnungen und bei beharrlicher weiterer Verweigerung der Impfung durch den Arbeitnehmer nur dann auch mit einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung beantworten. Davon unberührt bleibt eine andere Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers.
5. Darf der Arbeitgeber Beschäftigten Vergünstigungen gewähren, wenn sie sich impfen lassen?
Der Arbeitgeber möchte die Motivation der Arbeitnehmer zur Impfung fördern und verspricht allen Arbeitnehmern, die sich haben impfen lassen, einen Warengutschein. Besteht das Risiko, dass er diese Vergünstigungen nicht nur an die geimpften, sondern an alle Arbeitnehmer – unabhängig vom Impfstatus – gewähren muss?
a) Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB
Ein solcher Anspruch der ungeimpften Arbeitnehmer könnte sich aus § 612a BGB ergeben. Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit soll ein unwertes Verhalten des Arbeitgebers unterbunden werden.
Eine Benachteiligung gemäß § 612a BGB liegt nicht nur dann vor, wenn sich die bisherige Position des Arbeitnehmers verschlechtert, sondern auch dann, wenn dem Arbeitnehmer Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, die entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot, sind die benachteiligten Arbeitnehmer so zu stellen, wie die begünstigten Arbeitnehmer.
Der Arbeitnehmer macht von seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) Gebrauch, wenn er sich gegen eine Impfung entscheidet. Er übt also in zulässiger Weise sein Recht aus. Diese Entscheidung führt dazu, dass er den Warengutschein nicht erhält. Geht man allein vom Wortlaut des § 612a BGB aus, dürfte eine Benachteiligung des impfunwilligen Arbeitnehmers vorliegen. Das hätte zur Folge, dass auch er Anspruch auf die vorgenannte Begünstigung des Arbeitgebers hätte.
Die Ausübung der Rechte – hier die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen – muss allerdings das wesentliche Motiv des Arbeitgebers für die Benachteiligung des nicht begünstigten Arbeitnehmers sein, vgl. BAG, Urteil vom 14. März 2007 – 5 AZR 420/06 -.
Wesentliches Motiv für die Begünstigung ist allerdings nicht die Schlechterstellung der ungeimpften Arbeitnehmer. Die Begünstigung soll vielmehr dazu dienen, die Motivation der Arbeitnehmer zur Impfung zu erhöhen, um so den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und Dritter (z.B. Kunden) zu gewährleisten und Arbeitsausfällen vorzubeugen. Ein unwertes Verhalten, vor dem § 612a BGB den Arbeitnehmer schützen soll, kann diesem Vorgehehen nicht entnommen werden, so dass der Sinn und Zweck der vom Arbeitgeber durchgeführten Maßnahme gegen eine Anwendung von § 612a BGB spricht.
b) Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
Die ungeimpften Arbeitnehmer könnten darüber hinaus einen Anspruch auf Gewährung der Begünstigung nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz haben.
Danach darf der Arbeitgeber Gruppen von Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandeln. Die zwei Gruppen (geimpfte und ungeimpfte Arbeitnehmer) werden im oben genannten Beispiel ungleich behandelt.
Als sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung könnte wiederum die oben genannte Zwecksetzung der Maßnahme angeführt werden.
c) Vorgehen des Arbeitgebers
Auch wenn das Risiko besteht, dass ein Gericht der oben genannten Argumentation nicht folgt und einen Anspruch der ungeimpften Arbeitnehmer auf Gewährung der Begünstigungen annimmt, wäre zu überlegen, dieses Risiko einzugehen. In die Abwägung wären u.a. die Frage einzubeziehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein solcher Anspruch überhaupt geltend gemacht wird, ob dieses Risiko durch Ausschlussfristen minimiert wird und welches wirtschaftliche Risiko ggf. damit verbunden wäre.
6. Kann der Arbeitgeber aufgrund seines Hausrechts darauf bestehen, dass nur geimpfte Personen Zutritt zum Betrieb bekommen?
Es ist zwischen Arbeitnehmern einerseits und Kunden bzw. Gästen (inkl. Bewerbern) andererseits zu differenzieren:
Für die eigenen Arbeitnehmer ist eine Zutrittsverweigerung auf der Grundlage einer fehlenden Impfung derzeit praktisch ausgeschlossen. Denkbar ist zwar grundsätzlich, dass der Arbeitgeber sich auf sein Hausrecht beruft und den Zutritt zum Betriebsgelände an Bedingungen (z.B. Duldung einer Torkontrolle) knüpft. Dabei ist aber zu beachten, dass eine Zutrittsverweigerung mangels Impfung den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer nicht entfallen ließe. Es bestünde vielmehr ein Anspruch auf sog. Annahmeverzugslohn, den sich der Arbeitnehmer auch gerichtlich einklagen kann. Genauso denkbar ist eine gerichtliche Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers, auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, sofern der Zutritt zum Betrieb vom Impfstatus abhängig gemacht würde. Da Arbeitnehmer vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wohnung grundsätzlich nicht gegen ihren Willen dazu verpflichtet werden können, ihre Tätigkeit aus dem sog. Homeoffice heraus zu erbringen, ist ein Ausweichen in das Homeoffice – jedenfalls bei Nichtbestehen einer individual- oder kollektivvertraglichen Regelung – für die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs oder die Verhinderung eines möglichen Anspruches auf Annahmeverzugslohn keine denkbare Alternative. Wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, hat der Arbeitnehmer vielmehr einen Anspruch darauf, dass er die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit an einem Arbeitsplatz im Betrieb erbringen kann. Der Beschäftigungsanspruch „schlägt“ das Hausrecht.
Auch unter einem weiteren Gesichtspunkt ist Arbeitgebern jedenfalls im Lichte der derzeitigen Rechtslage davon abzuraten, die Zutrittsgewährung von einem Impfnachweis abhängig zu machen: Durch eine Auskunft über das (Nicht-)Bestehen einer Corona-Impfung verarbeitet der Arbeitgeber datenschutzrechtlich besonders geschützte Gesundheitsdaten seiner Arbeitnehmer. Das Sammeln dieser besonders sensiblen Daten ist derzeit insbesondere mangels gesetzlichen Fragerechts des Arbeitgebers datenschutzrechtlich unzulässig. Denkbar ist aber, dass der Gesetzgeber künftig über die bereits bestehenden Möglichkeiten zur Erfragung des Impfstatus für Arbeitnehmer bestimmter, medizinischer Einrichtungen (z.B. in Krankenhäusern oder für ambulante Pflegedienste) hinaus ein derartiges Fragerecht schafft und damit die Abfrage des Impfstatus datenschutzrechtlich ermöglicht.
Gegenüber ungeimpften Gästen oder Kunden kann der Arbeitgeber sich grundsätzlich auf sein Hausrecht berufen und den Zutritt zum Betrieb verwehren. Allerdings fällt auch das Abfragen des Impfstatus gegenüber Kunden oder Gästen als Verarbeitung von personenbezogenen Daten in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts. Es besteht eine strenge Bindung an den sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der unter anderem die Prüfung des Bestehens milderer, gleich effektiver Mittel zur Zielerreichung voraussetzt. Mit der Möglichkeit eines Testnachweises und ergänzend der Einhaltung der sog. „AHA-Regeln“ (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) bestehen solche milderen Mittel, sodass derzeit vom Abfragen des Impfstatus gegenüber Gästen oder Kunden auch aufgrund des Risikos hoher Bußgelder abgesehen werden sollte.
7. Was kann der Arbeitgeber tun, wenn Kunden/Vertragspartner nur geimpfte Personen in ihren Betrieb lassen?
Dass Kunden oder Vertragspartner den Zutritt vom Impfstatus abhängig machen, wird angesichts der insoweit bestehenden, datenschutzrechtlichen Bedenken die Ausnahme bleiben. Wird ein Arbeitnehmer dennoch daran gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen, weil ihm – aufgrund rechtmäßiger Weigerung, eine Impfung nachzuweisen – der Zutritt zum Arbeitsort beim Kunden verwehrt wird, ist ihm die Tätigkeit nicht möglich. Im Rahmen der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls muss dann zunächst geprüft werden, ob eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort in Betracht kommt (das entspricht der Wertung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in der Entscheidung zur Arbeitsverweigerung aus religiösen Gründen im Einzelhandel vom 24. Februar 2011 – 2 AZR 636/09). Zudem hat das BAG entschieden, dass es im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers geboten sein kann, dass dieser auf den Kunden einwirkt und – im Rahmen des im Einzelfall Zumutbaren – versucht, eine Aufhebung der Maßnahme (Hausverbot) zu erwirken. Sollte dies nicht möglich sein, fällt eine solche rechtlich zulässige Verweigerung nicht in die Sphäre des Arbeitnehmers, da gerade keine Impfpflicht besteht, sodass auf Seiten des Arbeitgebers weiterhin eine Pflicht zur Lohnzahlung besteht.
8. Kann der Arbeitgeber anordnen, dass ungeimpfte Beschäftigte statt im Betrieb im Homeoffice arbeiten?
Ob Homeoffice vom Arbeitgeber angeordnet werden kann, ergibt sich aus der zwischen den Parteien geschlossenen vertraglichen Vereinbarung. Sofern eine diesbezügliche vertragliche Abrede fehlt und die Arbeit aus dem Homeoffice / mobiles Arbeiten der Natur des Arbeitsverhältnisses nach möglich ist, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch nachträglich und für eine vorrübergehende Zeit eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden.
Ist der Arbeitsort jedoch nicht individualvertraglich geregelt, kann der Arbeitgeber ihn grundsätzlich per Weisung festlegen. Eine Weisung zur Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte ist allerdings nur rechtmäßig, wenn sie billigem Ermessen entspricht (§ 106 S. 1 GewO, § 315 I BGB). Ob das zutrifft, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall zu beantworten. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Zwar müssen Arbeitnehmer seit dem Auslaufen des verpflichtenden arbeitgeberseitigen Angebots zur Arbeit von zu Hause Ende Juni 2021 grundsätzlich wieder ins Büro kommen. Allerdings werden die Anforderungen an den Arbeitsschutz während der Pandemie weiterhin durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung vorgegeben und i.Ü. durch den SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard und die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel konkretisiert. Gem. § 3 der Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 25. Juni 2021 ist der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet, alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Wenn also festgestellt wird, dass Hygieneregeln bei zu hoher Büropräsenz nicht eingehalten werden können und eine konkrete Gefahr für die Beschäftigten besteht, kann die Anordnung zur vorübergehenden Tätigkeit im Homeoffice den Grundsätzen des billigen Ermessens entsprechen. Grundsätzlich ist denkbar, dass der Arbeitgeber im Rahmen seines Konzepts eine Tätigkeit im Homeoffice für ungeimpfte Beschäftigte vorsieht. Dem ist jedoch die Frage vorgeschaltet, unter welchen Bedingungen die Abfrage des Impfstatus durch den Arbeitgeber überhaupt rechtlich möglich ist. Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in Frage 10.
9. Muss der Arbeitgeber Lohnfortzahlung gewähren, wenn er Beschäftigte, die nicht geimpft sind, nicht einsetzen kann?
Grundsätzlich sind verschiedene Situationen zu unterscheiden.
Sofern sich ein ungeimpfter Arbeitnehmer mit dem Corona-Virus infiziert, wird er auch weiterhin als krank und damit als arbeitsunfähig gelten. Für die Dauer einer angeordneten behördlichen Quarantäne und ggf. bis zur Genesung besteht dann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Bei länger anhaltender Krankheitsdauer erfolgt die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber regulär bis zu 6 Wochen. Danach kann der Arbeitnehmer Krankengeld von der Krankenkasse beziehen. Die hypothetische Möglichkeit des Beschäftigten auf einen Impfschutz ändert hieran nichts. Denn wenn ein Arbeitnehmer krank ist, kann ein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nur ausnahmsweise verweigern. Dazu muss der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet haben. Da in Deutschland weiterhin keine Impfpflicht besteht und zudem auch (vollständig) Geimpfte vereinzelt noch an dem Corona-Virus erkranken, erscheint es abwegig, dass der Arbeitgeber aus der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer ungeimpft war, ein Verschulden herleiten kann.
Anders gestaltet es sich nunmehr mit Blick auf nicht geimpfte Beschäftigte, die der Arbeitgeber nicht einsetzen kann, da sie zwar nicht selbst erkrankt, sich aber als Kontaktperson eines Infizierten auf behördliche Anordnung in Quarantäne befinden und keine Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten. Mangels Krankheit des Beschäftigten kommt in diesen Fällen eine Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz nicht in Betracht. Bislang half hier eine öffentliche Quarantäneentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Der Arbeitgeber zahlte dabei den Lohn an den Arbeitnehmer weiter, konnte sich die erfolgte Lohnzahlung sodann als Quarantäneentschädigung vom Land zurückholen.
§ 56 Abs. 1 S. 4 Infektionsschutzgesetz sieht jedoch vor, dass eine Entschädigung nicht erhält, wer (u.a.) durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben oder öffentlich empfohlen wurde, eine Absonderung hätte vermeiden können. Die Corona-Schutzimpfung wird durch die StiKo empfohlen. Da zudem nunmehr jedem (Kinder ausgeschlossen) ein Impfangebot unterbreitet werden konnte, sind die ersten Bundesländer dazu übergegangen, eine Quarantäneentschädigung mit Blick auf § 56 Abs. 1 S. 4 Infektionsschutzgesetz abzulehnen. Zudem haben sich die Länder jüngst auf eine bundeseinheitliche Linie verständigt. Spätestens ab dem 1. November wird es für nicht selbst infizierte, ungeimpfte Beschäftigte im Falle einer Quarantäneanordnung keine Quarantäneentschädigung durch das Land – und damit durch die Steuerzahler – mehr geben. Der Arbeitgeber wird den Lohn für die Dauer der Quarantäneanordnung dann gar nicht erst an den Arbeitnehmer auszahlen (müssen).
Noch weitestgehend ungeklärt ist die Frage nach Lohnfortzahlung, wenn eine Impfung zur faktischen Voraussetzung der Tätigkeitsausübung wird. Beispielhaft ist hier auf die u.a. in Hamburg bereits teilweise herrschenden 2G-Regelungen in der Gastronomie zu verweisen. Das 2G-Modell zieht nach sich, dass auch die Beschäftigten des Betriebes genesen oder geimpft sein müssen, sofern Kundenkontakt besteht. Kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer dadurch im Betrieb – auch in einem anderen Bereich – nicht einsetzen, so lässt sich bei Beschäftigten, die sich grundsätzlich impfen lassen könnten, durchaus vertreten, dass bei Nichterbringung der Arbeitsleistung auch die Entgeltfortzahlung wegfällt (Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn). Der Arbeitgeber darf die Arbeitsleistung aufgrund behördlicher Vorgaben nicht annehmen, selbst wenn er wollte. Dies spricht gegen einen Annahmeverzug des Arbeitgebers. Auch dürfte die Auffassung nicht überzeugen, es handle sich bei der behördlichen Anordnung des 2G-Modells um ein vom Arbeitgeber zu tragendes Betriebsrisiko. Genauso wenig kommt ein Anspruch auf bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers nach § 616 BGB in Frage. Selbst wenn man mangels bestehender Impflicht ein Verschulden des Arbeitnehmers an der Nichterbringung der Arbeitsleistung verneinen würde, so wird ein Anspruch nach § 616 BGB jedenfalls an der Erforderlichkeit einer nur „vorübergehenden Verhinderung“ scheitern. Dem nicht geimpften Arbeitnehmer droht insofern nicht nur der Lohnausfall; wenn der Arbeitgeber ihn dauerhaft nicht (mehr) einsetzen kann, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls auch eine Kündigung sozial rechtfertigen.
Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Problematik, den Impfstatus der Arbeitnehmer in Erfahrung zu bringen, wird auf Frage 10 verwiesen.
Abzuwarten bleibt schließlich, wie und in welcher Form Beschäftigte, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, dies nachweisen können bzw. müssen. Einigkeit besteht insofern, dass dieser Bevölkerungsgruppe auch weiterhin eine Quarantäneentschädigung zustehen soll.
10. Unter welchen Bedingungen ist die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung der Angaben zum Impfstatus durch den Arbeitgeber zulässig?
Die Beantwortung dieser Frage ist keineswegs trivial. Denn bereits die Frage nach dem Impf-oder Genesungsstatus stellt einen Akt der Erhebung besonders schützenswerter Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dar (siehe unser Sonderupdate zum Fragerecht). Sie ist mithin nur zulässig, wenn diese Angabe erforderlich ist, damit der Arbeitgeber oder die beschäftigte Person die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann (Art. 9 Abs. 2 DSGVO). Hier ist zwischen dem Fall, in dem der Arbeitgeber bei der Abfrage lediglich einer rechtlichen Pflicht nachkommt, die bspw. die Einhaltung der 2G-Regel verbindlich vorsieht, und dem Fall zu differenzieren, in dem der Arbeitgeber aus freiem Ermessen auf 2G setzt. Während im ersten Fall das Handeln des Arbeitgebers auf Art. 9 Abs. 2 lit (b) DSGVO gestützt werden kann, schafft der Arbeitgeber im zweiten Fall das Erfordernis durch eigene Entscheidung, was als Grundlage nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO nicht ausreichen dürfte.
Zwar sieht die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 6. September 2021 in § 2 Abs. 1 S. 3 ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes berücksichtigen kann. Die Verordnung beantwortet jedoch nicht die Frage, wie der Arbeitgeber an diese Information kommt und sieht auch kein Fragerecht des Arbeitgebers zu diesem Zweck vor. Ein Fragerecht besteht bisher nur für Beschäftigte in Einrichtungen bzw. Unternehmen, die in § 36 Abs. 1 und 2 IfSG genannt sind, also Kindertagesstätten, medizinische und Pflegeeinrichtungen oder Obdachlosenunterkünfte etc. Gibt es im konkreten Fall jedoch kein ausdrückliches Fragerecht und auch keine rechtliche Pflicht des Arbeitgebers, die eine Kenntnis vom Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten zwingend erfordert, ist der Arbeitgeber weiterhin darauf angewiesen, dass ihm die Beschäftigten ihren Impfstatus freiwillig mitteilen oder dass er dies auf anderem Wege erfährt.
Hat der Arbeitgeber diese Information (rechtmäßig) erlangt, ist bisher ungeklärt, ob die Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres möglich ist, zumal eine (erneute) Verwendung auch eine erneute Datenverarbeitung im Sinne des Art. 9 DSGVO darstellt. Auch die bloße weitere Speicherung des Impfstatus ohne datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestand und ohne Ausnahme von der Löschpflicht stellt nach Art. 17 DSGVO einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht dar. Hier könnte § 2 Abs. 1 S. 3 Corona-ArbSch-VO als Rechtsgrundlage für eine Speicherung und auch eine weitere Verwendung im Rahmen der Erstellung und Umsetzung von Hygienekonzepten dienen, zumal die Vorschrift lediglich auf die Kenntnis des Arbeitgebers und nicht darauf abstellt, wie und zu welchem Zweck er diese erlangt hat. Vorsicht ist indes geboten, wenn die Daten aufgrund konkreter Einwilligungserklärungen der Beschäftigten erhoben wurden, da in diesem Fall die weitere Verwendung der Daten zu weiteren Zwecken eine „Zweckänderung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO darstellt. Wenn die Zweckbestimmung in der Einwilligungserklärung eng formuliert und eine zeitnahe Löschung zugesichert wurde und bei den Mitarbeitern daher die berechtigte Erwartung entstanden ist, dass eine darüberhinausgehende Verwendung ausgeschlossen ist, würde es dem Zweck der Einwilligungserklärung zuwiderlaufen, wenn der Arbeitgeber die Angaben zum Impfstatus unter Berufung auf § 2 Abs. 1 S. 3 Corona-ArbSch-VO auch für weitere Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes nutzen könnte. Die für die „Zweckänderung“ gemäß Art. 6 Abs. 4 DSGVO erforderliche Abwägung würde negativ ausfallen (wobei es hier natürlich auf den Einzelfall ankommt!).
Ist die Datenerhebung dem Grunde nach zulässig, so ist ferner sicherzustellen, dass die Informationen gegen unberechtigten Zugriff hinreichend gesichert sind und der Kreis der Personen, die Zugang zu diesen Informationen haben, auf diejenigen begrenzt wird, die diese zwingend benötigen. Die Beschäftigten haben das Recht über die entsprechende Datenverarbeitung informiert zu werden (und den Arbeitgeber trifft gemäß Art 13 DSGVO eine entsprechende Pflicht). Zudem ist dafür Sorge zu tragen, dass die Informationen nur solange gespeichert werden, wie der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat. Wie lange dies der Fall ist, lässt sich – auch angesichts der Dynamik des Geschehens – nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall beantworten.