zuerst erschienen im Behörden Spiegel am 15. Februar 2016
Kommunale Grundstücksgeschäfte
Klarer Rechtsrahmen oder viele Einzelfallregelungen?
Viele Kommunen müssen binnen kurzer Zeit bedeutende Bauprojekte umsetzen - von der Flüchtlingsunterkunft über den Verwaltungsbau bis zum neuen Schwimmbad. Oft erwirbt und bebaut ein Investor das kommunale Grundstück. Jedoch dürfen Kommunen auch fast sechs Jahre nach der EuGH-Entscheidung "Wildeshausen" nicht ohne Weiteres ihre Grundstücke frei verkaufen.
Der Verkauf eines Grundstücks einer Gemeinde unterliegt, ebenso wie bei Bund und Ländern, strengen Anforderungen. Die öffentliche Hand muss nicht nur das nationale Vergaberecht, sondern auch das EU-Primärrecht, das Beihilferecht und das Haushaltsrecht berücksichtigen. Dabei ist ein rechtssicheres Vorgehen unabdingbar. Denn bei Verstößen droht doppeltes Ungemach: Angriffe unterlegener Wettbewerber und Ärger mit der EU-Kommission oder der Rechtsaufsicht.
Tücken und Erleichterungen
2010 stellte der EuGH in seinem Urteil "Wildeshausen" (C-451/08) klar, dass der schlichte Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht dem Vergaberecht unterfällt. Trotzdem muss die Gemeinde ein europaweites transparentes Wettbewerbsverfahren durchführen, wenn der Grundstücksverkauf gemeinschaftsrelevant ist. Dank eines funktionierenden Wettbewerbs handelt es sich zugleich nicht um eine unzulässige Beihilfe. Die Gemeinde kann sicher sein, dass das Höchstgebot dem "Marktpreis" entsprach und sie das Grundstück nicht unter Wert verkaufte. Doch auch hier lauern Tücken.
Im Sommer 2015 entschied der EuGH, dass der im Wettbewerb erzielte Höchstpreis für ein Grundstück nicht immer dessen Marktpreis ist (C-39/14). Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in der die Landwirtschaftskammer ihre Zustimmung zu einem Grundstücksverkauf nach dem Grundstücksverkehrsgesetz verweigerte. Der Höchstpreis sei spekulativ und bilde nicht die Marktverhältnisse ab. Die Kommune musste sich mit dem niedrigeren Gebot des zweitbesten Bieters zufrieden geben. Diese Einflussnahme ist nach Auffassung des EuGH keine verbotene Beihilfe, wenn der günstigere Preis dem tatsächlichen Marktwert eher als das Höchstgebot entspreche.
Einzelne Bundesländer lockern zudem die vergaberechtlichen Vorgaben an den Grundstücksverkauf. So dürfen beispielsweise landeseigene Grundstücke in NordrheinWestfalen nach § 15 Abs. 3 HHG NRW ohne oder in einem schlanken Ausschreibungsverfahren verkauft werden. Ein Direktverkauf ohne öffentliches Ausschreibungsverfahren ist beispielsweise auf Grundlage einer gutachterlichen Wertermittlung bei einem Verkauf an Gemeinden, Gemeindeverbände oder mehrheitlich kommunale Gesellschaften für die Erfüllung kommunaler Zwecke oder für die Errichtung öffentlich geförderten Wohnraums zulässig. Gleiches gilt auch für Verkäufe an Studentenwerke für die Errichtung von studentischem Wohnraum. Wenn sich die Bieter vertraglich zur Realisierung städtebaulich oder wohnungspolitisch förderungswürdiger Vorhaben verpflichten oder zur Errichtung öffentlich geförderten Wohnraums, genügt ein "öffentliches Ausschreibungsverfahren". Dieses schlanke Ausschreibungsverfahren wird lediglich auf der Internetseite des BLB NRW bekannt gemacht, jedoch nicht europaweit. Ob diese landesrechtliche Einschränkung des EU-Primärrechts und des Vergaberechts einer gerichtlichen Kontrolle standhalten kann, bleibt abzuwarten.
Vergaberecht anwenden
Bei dem Verkauf eines Grundstückes kann die Gemeinde den Erwerber auch verpflichten, ein Gebäude nach ihren Vorstellungen zu bauen und ihr zu vermieten. Liegt das Bauvolumen oberhalb des Schwellenwertes, ist das Vergaberecht anzuwenden. Es handelt sich (auch) um einen Bauauftrag. Ähnliches gilt bei einer Erschließungsverpflichtung für den Erwerber. Weitere Besonderheiten bestehen bei einem Verkauf an eine kommunale Inhouse-Gesellschaft oder an einen Investor, der über ein Ausschließlichkeitsrecht verfügt.
Zusammenfassend wird deutlich: Die Kommune muss bei dem Verkauf ihrer Grundstücke eine Vielzahl von Vorschriften berücksichtigen. Allerdings stehen ihr viele Vorgehensweisen zur Verfügung, um abseits des schlichten Grundstücksverkaufs die von ihr verfolgten Ziele bestmöglich zu erreichen. Dr. Ute Jasper und Dr. Christopher Marx sind beide als Rechtsanwälte bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek tätig. Zusammen mit dem Behörden Spiegel thematisieren sie a.m 18. März 2016 den Verkauf von Grundstücken in einem Seminar in Düsseldorf Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum.de/?pa.ge_id=1252
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