02.09.2020CoronaFachbeitrag

Update Restrukturierung 2/2020

COVInsAG: Zahlungsunfähige Unternehmen ab Oktober 2020 wieder insolvenzantragspflichtig

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird nur für Überschuldung verlängert

Mit dem zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) hatte der Bundesgesetzgeber die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen vorübergehend ausgesetzt, soweit eine nach dem 1. März 2020 bestehende Insolvenzreife auf den Folgen der sog. Corona-Pandemie beruht und Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Auch Haftungsrisiken für Organe und Anfechtungsrisiken für Gläubiger sollten durch das in kurzer Zeit auf den Weg gebrachte Gesetz gemindert werden (siehe dazu unseren Sondernewsletter hier). Die Laufzeit der Aussetzung sollte sich zunächst bis zum 30. September 2020 erstrecken, allerdings mit der Möglichkeit, diese durch Rechtsverordnung des BMJ noch einmal bis längstens zum 31.03.2021 zu verlängern. Eine Verlängerung steht nun bevor – allerdings nicht für zahlungsunfähige Unternehmen.

Kritik an Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie ist seit ihrem Inkrafttreten in der Diskussion. Das COVInsAG und dessen Gesetzesbegründung ließen viele rechtliche Fragen offen, was der Eile des Gesetzgebungsverfahrens geschuldet war. Diese werden erst in den kommenden Jahren (gerichtlich) geklärt werden. Kritik resultierte auch daraus, dass teilweise der Eindruck entstand, die Antragspflicht sei generell ausgesetzt, zumal die Rückausnahmen schwer nachzuweisen seien. Umgekehrt waren strafrechtliche und die damit korrespondierenden deliktischen Haftungsrisiken nicht eingeschränkt.

Befristete Verlängerung bereits im Gesetz angelegt

Da die zeitliche Dimension der Pandemie im März 2020 noch nicht abschätzbar war, hatte der Gesetzgeber in § 4 COVInsAG das BMJ vorab ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und bis höchstens zum 31. März 2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Nachfrage nach verfügbaren öffentlichen Hilfen, andauernder Finanzierungsschwierigkeiten oder sonstiger Umstände geboten erscheint. Der Gesetzgeber hatte damit bereits die Möglichkeit für die Bundesregierung geschaffen, eine Verlängerung ohne erneutes Gesetzgebungsverfahren zu bewirken.

Verlängerung umstritten

Eine Verlängerung der Aussetzung über den 30. September hinaus ist sowohl politisch als auch volkswirtschaftlich als auch in der insolvenz- und restrukturierungsrechtlichen Fachöffentlichkeit umstritten. Während vor allem Insolvenzpraktiker davon ausgehen, dass der Aussetzungszeitraum bis Ende September 2020 hinreichend bemessen sei, um sich auf die bestehenden Verhältnisse einzustellen, wird vielfach vertreten, dass auch über den 30. September 2020 hinaus die Folgen der Corona-Pandemie und vor allem der Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens weiter spürbar seien. Insbesondere seien nach wie vor verlässliche Planungen über einen längeren Zeitraum nur schwer möglich.

Koalitionsausschuss einigt sich auf Verlängerung bis zum 31.12.2020 – allerdings nur für Überschuldung

Inzwischen hat sich zumindest der aus Spitzen der an der Bundesregierung beteiligten Parteien zusammengesetzte sog. Koalitionsausschuss am 25. August 2020 dafür ausgesprochen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu verlängern. Allerdings soll dies nicht uneingeschränkt gelten, sondern lediglich für den Antragsgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) und nur für einen Zeitraum bis zum 31.12.2020. Da eine solche Differenzierung von der ursprünglichen Ermächtigung nicht gedeckt ist, wird insoweit nicht das BMJ, sondern  der Gesetzgeber tätig werden müssen. Eine entsprechende Formulierungshilfe der Bundesregierung liegt bereits vor. Sie schlägt eine Änderung des COVInsAG vor, indem § 1 COVInsAG dahingehend ergänzt wird, dass vom 1.Oktober bis zum 31. Dezember 2020 allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages wegen Überschuldung ausgesetzt ist.

Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit ab 1. Oktober 2020 wieder in Kraft – erhöhte Wachsamkeit für Organe und Berater

Für potentiell insolvenzantragspflichtige Rechtsträger (Kapitalgesellschaften wie GmbHs und AGs, kapitalistisch verfasste Personengesellschaften wie GmbH & Co. KGs oder Vereine usw.) wird es deshalb umso wichtiger, bei fortbestehender oder eintretender wirtschaftlicher Krise kurzfristig die insolvenzrechtliche Situation des Unternehmens zu prüfen und hierzu ggf. Experten hinzuzuziehen. Werden die notwendigen Weichen für eine erfolgreiche Restrukturierung und Sanierung nicht rechtzeitig gestellt oder wird eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit versäumt, kann dies vor allem für die Organe erhebliche zivilrechtliche und strafrechtliche Haftungsrisiken auslösen. Zudem birgt auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des Eingehungsbetruges und der (ebenfalls strafbaren) Gläubigerbegünstigung erhebliches Haftungspotential. Neben den natürlich immer besonders und zuvorderst betroffenen Organen sollten sich daher auch Gesellschafter, Kreditinstitute, Investoren und Gläubiger auf höhere Risiken ab dem 1. Oktober 2020 einstellen.

Zeit für die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie nutzen!

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die durch die partielle Verlängerung gewonnene Zeit nutzen wird, um auch die Umsetzung der Vorgaben der EU-Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht voranzutreiben, so dass sanierungsfähige Unternehmen vielleicht schon ab Januar 2021 zusätzliche  Möglichkeiten nutzen können, sich auch außergerichtlich zu entschulden und wirtschaftlich neu aufzustellen. Dies wäre  zu begrüßen.

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